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Himmelsschwingen

Himmelsschwingen

Titel: Himmelsschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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jemanden geben, der hinter mir her ist. Und Aljoscha wollte unbedingt in den Park. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er Touristen beklauen wollte.« Ein kurzer Blick ihrer Mutter genügte. »Ja, gut! Natürlich wusste ich das. Was glaubst du denn, warum ich ihm nachgegangen bin?«
    »Und woher stammt das Suppenfleisch?«
    Miljena schüttelte den Kopf.
    »Kind, wohin soll das führen?«

     
    Das Metallbett ächzte und schwankte, als Samjiel sich da raufsetzte. Gleichgültig, was er versuchte, um sie zu vergessen, sie blieb immer bei ihm. Iris hatte sich für ihre Wohnung entschuldigt, weil sie klein war und schlicht eingerichtet. Samjiel rieb sich die Augen und sah sich um. In diese Bruchbude hätte sie bestimmt keinen Fuß gesetzt.
    In der Vergangenheit hatte ihn der Gedanke an eine geeignete Unterkunft selten beschäftigt, meist brauchte er ohnehin keine. Der General kam, tötete und flog davon, ohne weitere Spuren zu hinterlassen. Doch weil diese Mission anders war als alle anderen, hatte er sich schließlich in dieser heruntergekommenen Pension eingemietet.
    Dass es das Beste sei, was man in der Gegend bekommen könnte, und er Glück habe, dass der Vormieter plötzlich verstorben war und seine Möbel niemand abgeholt habe, hatte die Wirtin ihm vorgeschwärmt.
    An ihren Lobpreisungen nicht besonders interessiert, war Samjiel ihr eine schmale Stiege hinaufgefolgt. Hier oben, gleich unter dem Dach, gab es nur diesen einen Raum. Der Rest war wohl als Lager vermietet und besaß einen Zugang am anderen Ende des Hauses. Ein Bett und zwei Haken an der Wand: Das war die gesamte Ausstattung des Verschlags, den die Frau ihm jedoch unbeirrt als Glücksfall anpries, weil ein Fenster erlaubte, über die Dächer der Stadt zu blicken, sofern man vorher aufs Bett stieg. Gerade das große Fenster, durch das er unbemerkt kommen und gehen konnte, machte es für Samjiel ideal. Deshalb bezahlte er die Miete auch gleich für einen Monat im Voraus.
    Zufrieden steckte sie die Rubel ein und führte ihn durch die untere Etage. Dort lagen die Zimmer an einem lichtlosen Gang aufgereiht wie schmutzige Lumpen auf einer Leine. In einem wohnte ein Dichter, der als berühmter Literat vorgestellt wurde. Er sah tatsächlich aus, als hätte er schon mit Puschkin über Literatur diskutiert, blickte kaum von den Blättern auf, die mit seiner sauberen Handschrift bedeckt waren. Wahrscheinlich musste er immer dafür herhalten, als Beispiel für den hohen Standard des exquisiten Gemeinschaftshauses vorgeführt zu werden. Seine Bücherregale reichten bis zur Decke, vollgestopft mit Büchern und Manuskripten, sodass von den Wänden nichts mehr zu sehen war. Es roch nach vergilbtem Papier, Staub und altem Mann. Bei Weitem der angenehmste Geruch, wie Samjiel feststellte, als sich eine andere Tür öffnete, drei Kinder den Flur entlangtobten und kreischend in der Küche verschwanden, die sich alle Bewohner teilten. Eine der beiden Toiletten wurde ihm gezeigt, und als er sich über die merkwürdige Kollektion von Klobrillen an den Wänden wunderte, erfuhr er, dass jeder Mieter seinen eigenen Toilettensitzbenutzte. Das sei hygienischer und ein weiterer Beleg für den hohen Standard ihrer Pension, erklärte die Vermieterin, und seiner sei der dunkelbraune dort oben rechts.
    Ihre Fragen, woher er käme und wie lange er in Sankt Petersburg bleiben wolle, hatte er wortkarg beantwortet. Aber er hatte sie beantwortet, denn irgendjemand würde sich nach dem neuen Gast in der Mansarde erkundigen. So faul oder bestechlich manche Milizionäre auch sein moch ten – wie man heute wieder hatte erleben dürfen –, so unergründlich und verschlungen waren die Wege der Geheimpolizei. Besonders in dieser Stadt, die als Tor zu Europa gegründet worden war, hatte sie es zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Niemand entging ihrer Aufmerksamkeit. Nicht einmal ein Engel, dessen Tarnung unter anderem darin lag, von Sterblichen überall auf der Welt für einen Einheimischen gehalten zu werden.
    Wächter hatten es leichter. Sie verfügten über ein ausgezeichnetes Netzwerk, das sie für ihre – zugegeben meist längeren Aufträge – mit zahlreichen Annehmlichkeiten versorgte. Dazu gehörten eine Reihe von bestens ausgestat teten Apartments, die sie nutzen konnten, und genügend Geld, um sich in ein Hotelzimmer einzumieten.
    Natürlich war der Preis dafür inakzeptabel. Wächter erreichten die Erde immer wieder aufs Neue äußerst verletzlich und erhielten ihre Kräfte erst nach

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