Himmelssucher - Roman
Mädchen standen ganz offensichtlich auf ihn.
Satya fuhr auf Comics ab, vor allem auf Daredevil , und hatte vor Kurzem die Ninjas entdeckt. Ninjas, erklärte er, waren keine Samurais. Sie waren Spione und Attentäter, die im Verborgenen kämpften und sich keineswegs an die Regeln des Krieges hielten. Das Wichtigste war, sagte er und zog eine Serviette aus der Hosentasche, dass die Ninjas ihre Gesichter verhüllten. So erfuhr keiner, wer sie wirklich waren. Satya band sich die Serviette vors Gesicht. So, nun würden wir alle Ninjas werden, sagte er, aber Ninjas, die für das Gute kämpften. Er fragte mich, ob es in der Gegend ein Unrecht gab, das es zu beheben galt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, erzählte ihm aber von dem leer stehenden Haus am Ende des Straßenzugs, in dem es laut den Kindern in der Nachbarschaft spukte. Also banden wir uns ebenfalls Servietten vors Gesicht und schlichen durch mehrere Gärten zu dem fraglichen Haus. Dort angekommen, musste Satya enttäuscht feststellen, dass hinter den Fenstern nur verstaubte Räume voller Gerümpel zu erkennen waren.
»Du hast gesagt, es würde spuken.«
»Ich habe gesagt, das hätten die Nachbarskinder gesagt.«
»Warum wohnt hier keiner mehr?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste es nicht.
»Na, egal, was passiert ist … und irgendwas ist hier passiert, jetzt ist es jedenfalls zu spät, um da noch was zu machen.«
Satya führte uns durch Büsche und weitere Gärten und ließ uns zu den Fenstern der Häuser schleichen. Viele Hausfrauen bereiteten in den Küchen Essen oder Limonade zu, einige Männer sahen sich mit ihren Söhnen im Wohnzimmer Baseball an. Aber das war es dann schon.
Auf dem Weg zurück zur Straße verschwand Satya hinter dem Haus der Kuhlmanns, einem grün-weißen Split-level-Haus auf der anderen Straßenseite. Er kletterte einen Baum hoch, spähte in eines der Fenster und schien endlich etwas Lohnenswertes gefunden zu haben.
»Hayat, das musst du dir ansehen.«
»Was ist los?«
»Nichts ist los …«
»Was ist es?«
»Ein Mädchen und ein Typ. Sie machen rum.«
»Das ist Gina. Und ihr Freund.«
»Im Ernst, das musst du dir ansehen.«
»Ich will auch was sehen«, quengelte Otto.
»Iss nicht so viele Doritos«, blaffte Satya, »dann nimmst du vielleicht ab, und dann kommst du auch den Baum hoch.«
»Ich bin nicht zu dick …«
Satya fiel ihm ins Wort: »Bleib unten und pass auf den Kleinen auf, Otto. Hayat, komm rauf …«
Achselzuckend sah ich zu Otto, griff nach einem Ast und stieg an den Verdickungen nach oben.
»Pass auf, dass dir deine Ninja-Maske nicht runterrutscht«, sagte Satya.
Imran nörgelte, dass er auch hochklettern wollte.
»Du kannst nicht allein auf einen Baum klettern«, sagte Otto. »Du bist noch zu klein.«
Ich zog mich an einer Astgabel hoch, fand festen Stand und hangelte mich zu dem Ast, auf dem Satya kauerte. Direkt vor uns lag das Fenster. Gina saß mit ihrem Freund auf dem Bett. Sie küssten sich.
»Sie sieht süß aus.«
»Das ist sie«, sagte ich.
Ich kannte Gina kaum – sie war drei Jahre älter als ich und wohnte seit fast zwei Jahren uns gegenüber auf der anderen Straßenseite. Nahezu von Anfang an war sie mit dem stämmigen Lockenkopf zusammen, der jetzt auf ihrem Bett saß. Ich wusste nicht, wie er hieß – Gina redete weder mit mir noch mit den anderen Jungs in der Gegend, die jünger waren als sie –, aber ich wusste, dass sie zusammen waren, weil sie immer von der Schule gemeinsam nach Hause gingen. In meiner Schule, der Madson Elementary, war der Unterricht früher aus als in der Junior High School, und mehr als einmal hielt ich mich in unserem Garten auf und sah sie am Ende der Straße auftauchen, Gina, die Bücher an die Brust gepresst, und der Junge an ihrer Seite, der langsam sein Rad neben sich her schob. Und einige Male, wenn ich in unserem Wohnzimmer stand, von dem man einen wunderbaren Blick in ihre Garage hatte, konnte ich die beiden dort drinnen sich küssen sehen.
Eines Nachmittags, als ich sie vom Wohnzimmerfenster aus wieder einmal beobachtete, näherte sich Mutter von hinten. »Sieh dir das an«, sagte sie verächtlich. »So werden weiße Frauen also abgerichtet … Wie alt ist sie?«
»Keine Ahnung … Vierzehn?«
» Vierzehn? «
»Glaube ich.«
» Vierzehn «, wiederholte sie. »Und sieh sie dir an.«
Ginas Freund streichelte ihre Haare, während sie sich tief in die Augen schauten, versunken in einer träumerischen Selbstvergessenheit, die etwas
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