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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Vollkommenes an sich hatte.
    »Und schon lässt sie sich ausnutzen «, fuhr Mutter in ihrem scharfen Tonfall fort. » Setzt ihren Körper ein , um sich Männer zu angeln. Wie schamlos! Sie sind wie Tiere … Nein … Schlimmer als Tiere. Tiere haben wenigstens ein Quäntchen Selbstachtung.« Abrupt wandte sie sich mir zu. »Geh auf dein Zimmer. Du musst keine Prostituierte anstarren. Sonst endest du noch wie dein Vater. Los … geh schon!«
    Satya war auf dem Ast noch weiter hinausgerückt, um einen besseren Blick zu erhaschen. Ginas Freund fasste ihr unter den rosafarbenen Sweater. Noch immer küssten sie sich. »Schau«, sagte Satya. »Er hat sich auf den Weg zur zweiten Base gemacht.«
    »Zweite Base?«
    »Erste Base ist Küssen. Zweite ist, ihr unters Shirt zu greifen. Dritte ist das Höschen. Und ein Homerun ist, na ja, die ganze Sache.«
    Ich hatte nicht die geringste Vorstellung, wovon er redete. »Die ganze Sache?«, fragte ich.
    »Sex? Du weißt doch, was Sex ist, oder?«
    Ich starrte Satya an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nur, dass ich das Wort schon mal gehört hatte.
    Er grinste mich an. »Sag mir nicht, dass du nicht weißt, was Sex ist!«
    Ginas Freund hatte ihr mittlerweile den Sweater hochgeschoben, worauf ihr glatter, flacher Bauch und ein weißer BH zum Vorschein gekommen waren.
    »Was ist da?«, quengelte Otto wieder.
    »Halt den Mund«, zischte Satya, der mit weit aufgerissenen Augen – Mund und Nase waren nach wie vor mit der Serviette bedeckt – das Treiben hinter dem Fenster beobachtete. Ich fragte mich, ob ich genauso ausgesehen hatte, als Mutter mich am Wohnzimmerfenster ertappt hatte. Prostituierte anstarren hatte sie es genannt.
    Satya bemerkte, dass ich ihn ansah. »Was ist?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Warum siehst du dann mich an? Die richtige Sache entgeht dir doch.«
    »Mich interessiert die richtige Sache nicht.«
    »Tickst du nicht ganz sauber?«
    Ich riss die Serviette vom Gesicht und kletterte den Baum hinunter.
    »Wo willst du hin?«
    »Nach Hause«, sagte ich angewidert.
    Zu Hause saßen Mina und Nathan immer noch auf der Terrasse. Selbst aus zwanzig Metern Entfernung zog sie mich in ihren Bann. Sie sah anders aus. Lebendiger. Noch anziehender als sonst. Sie sah mich an, und ich spürte einen Stich, ein Ziehen im Magen und das Verlangen, die Kluft zwischen uns zu schließen und Mina irgendwie zu fassen zu bekommen. Sie sollte mir gehören.
    Ich verstand es nicht.
    Auf dem Weg in die Küche trat ich auf die Terrasse, aber als ich an ihnen beiden vorbeiging, streckte Mina den Arm aus und zog mich zu sich heran. Ich spürte ihre Beine, die mich umfingen und festhielten. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. »Er ist mir wie ein zweiter Sohn …«, sagte sie sanft und strahlte dabei. Ihre Dupatta war locker um ihren Kopf drapiert, die halb durchscheinende Seide schimmerte im Spätnachmittagslicht. »Und wenn es nach mir ginge, wird aus ihm genau so ein Büchernarr wie aus uns beiden.«
    »Er ist schon auf dem besten Weg dahin, nicht wahr, Hayat?«, fragte Nathan. Sein träges Lächeln, seinen rammdösigen, vertrottelten Blick fand ich fast ebenso verstörend wie Minas neue, hinreißende Schönheit. »Mit einigem Glück setzt du die Tradition fort und wirst deinem Vater ein ziemlicher Dorn im Auge sein«, sagte Nathan lachend. Auch Mina lachte.
    »Wäre nicht das Schlimmste, oder?«, fuhr Nathan fort. »Wenn ihn irgendwann mal jemand dazu bringen könnte, ein Buch zu lesen, dann sein eigener Sohn. Meinst du nicht auch?«
    »Das bezweifle ich«, antwortete Mina mit funkelnden Augen.
    Etwas lief hier ab, aber ich konnte nicht sagen, was es war. Die Luft war aufgeladen, als würde sich zwischen ihnen eine Wolke wirbelnder Mücken befinden.
    Mina redete weiter: wie klug ich sei; dass ich begonnen habe, den Koran auswendig zu lernen; welch guter Ersatzbruder ich für Imran sei. Sie redete nicht nur über mich, sondern hielt mich noch immer zwischen ihren Beinen fest, die Arme um meine Taille geschlungen … und dennoch erschien sie mir ferner als jemals zuvor. »Ich muss aufs Klo, Tante«, sagte ich schließlich und löste mich.
    »Okay, Kurban «, sagte sie.
    Ich ging durch die Terrassentür und ließ sie absichtlich laut hinter mir zufallen. Doch als ich durch das Fenster zurücksah, schienen sie es nicht bemerkt zu haben.
    Sie lachten bereits wieder über irgendetwas anderes.

6
    DER DERWISCH
    I n jener Woche klingelte jeden Abend etwa eine halbe

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