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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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stellte ich mir jetzt vor, dass ich es nicht losließ. Was hätte ich darum gegeben, wenn es gerissen wäre.
    Schließlich, erschöpft von meinen verzweifelten Bitten, setzte ich mich aufs Bett. Ich nahm den Koran zur Hand. Das, dachte ich mir, war das Einzige, was Allah jetzt von mir wollen konnte: dort weiterzumachen, wo ich stehen geblieben war.
    Wie von Mutter vorhergesagt, hatte der Anwalt, den Mina am Morgen konsultiert hatte, erzählt, dass sie nichts zu befürchten habe. Zumindest solange sie im Land war. Mutter versprach ihr, sie könne bei uns bleiben, solange sie wollte oder es nötig war.
    Mina bekam ich erst am Abend zu Gesicht. Ich schaffte es kaum, ihr in die Augen zu schauen. Ich wollte ihr erzählen, was ich getan hatte, aber sie gab sich unnahbar. Sie hatte etwas Verbittertes, Distanziertes an sich, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte. Ihre mandelförmigen Augen waren nur noch schmale Schlitze, die Falten auf ihrer Stirn – und an ihrer Nase und um die Augenwinkel – waren tiefer, dunkler. Sie bewegte sich sogar anders, resolut, zackig, nicht mehr so schlurfend wie früher, wenn sie Kummer gehabt hatte. Ihr Blick hatte alles Verträumte verloren, sie vermittelte nicht mehr den Eindruck, als wäre sie in Gedanken an einem anderen, besseren Ort. Mir gegenüber benahm sie sich kühl. Auch die nächsten Tage war es so. Zunächst glaubte ich, sie wüsste alles. Aber dann erkannte ich, dass sie sich gegenüber allen so benahm. Etwas in ihr war anders geworden.
    Die ganze Woche über träumte ich des nachts vom Schalterraum der Western Union und dem Mann mit dem Mal im Gesicht. Der Gedanke an das, was ich getan hatte – und das damit geschaffene Leid –, verfolgte mich unentwegt. Es ging mir schrecklich an die Nieren, was Mina und Imran zustoßen könnte. Ich fühlte mich hilflos. Und da ich diese Hilflosigkeit mir selbst zuzuschreiben hatte, verspürte ich eine neue Art von Scham. Ich sah jetzt deutlich, wie sehr ich mich von Imran distanziert hatte. Ich verstand nicht, warum ich es getan hatte. Ich hätte dankbar sein sollen, ihn zu haben, dachte ich. Also nannte ich ihn von jetzt an Bruder, wie er es schon lange bei mir gemacht hatte. Wir spielten mehr als je zuvor miteinander. Ich ließ ihm seine Launen durchgehen. Ich schenkte ihm meine Sachen. Und obwohl ich jede Gelegenheit ergriff, um den von mir angerichteten Schaden wiedergutzumachen, konnte ich das Telegramm nicht verdrängen. Es war wie ein Zahnbelag, den keine Zahnbürste wegscheuern konnte.
    Am Ende der Woche, am Freitag, zogen Mutter und Mina ihre traditionelle pakistanische Kleidung an. Sie waren zu einem Fest bei den Chathas eingeladen. Vater war überzeugt, dass es sich bei der Einladung aufgrund der Ereignisse im Islamischen Zentrum nur um eine Provokation handeln könne. Schlimmer noch. Denn nachdem er mit Sonny Buledi gesprochen hatte – der vehement abstritt, mit der Sache irgendetwas zu tun zu haben –, schlussfolgerte Vater, dass das Telegramm von einem dieser »Wölfe im Schafspelz«, wie er sie jetzt nannte, stammen musste. Ihm wollte nicht in den Kopf, warum Mutter auch nur in Betracht ziehen konnte, dorthin zu gehen.
    »Wir müssen hier raus«, sagte sie. » Sie muss hier raus. Wir müssen wieder unter Leute, unter unseresgleichen. Und du solltest uns begleiten.«
    »Auf keinen Fall«, sagte Vater.
    »Gut«, erwiderte Mutter kühl. »Dann gehen wir ohne dich.«
    Vater bestellte für mich und Imran aus der örtlichen Pizzeria Käsepizza und Mozzarella-Sticks. Er stand immer wieder auf, verließ das Zimmer und kam nach einiger Zeit zurück, während Imran und ich die Pizzen verdrückten und dabei die Wiederholung einer Folge von Herzbube mit zwei Damen anschauten.
    Nach der Sendung schlief Imran auf der Couch ein. Vater schien verschwunden zu sein.
    Ich ging hinauf in mein Zimmer und zog die Schreibtischschublade auf. Unter Papieren vergraben war Minas Foto. Ich holte es heraus. Ihr Gesicht war die Vollkommenheit selbst, Ausdruck eines namenlosen Gefühls in mir, das alles zu beinhalten schien, was ich jemals begehren konnte; ein Gefühl, auf das jetzt der Schatten meiner Reue fiel.
    Ich legte das Bild zurück und nahm meinen Koran zur Hand. Aber ich konnte mich nicht auf die Verse konzentrieren.
    Ich schloss die Augen und betete.
    »Bitte, lieber Allahmia. Rette Imran vor diesem Mann. Rette Mina vor ihrem Vater. Ich werde alles tun, was du willst. Ich werde alles aufgeben, was du willst …«
    Ich hörte etwas. Ich

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