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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Handbewegung, als würde sie mich bitten, die Lautstärke der Stereoanlage runterzudrehen. »Ich meine, keiner verlangt von dir, dass du ganz aufhörst. Aber mach einfach mal halblang … «
    »Gut«, sagte ich.
    Sie interpretierte meine Zurückhaltung als Ausdruck meines Unwillens. »Ich weiß, wie wichtig es dir ist«, sagte sie verstimmt. »Aber manchmal kann man eben nicht so, wie man will. Und wenn einer nun mal die Rechnungen bezahlt, haben sich die anderen zu fügen. So funktioniert die Welt. Wenn du erwachsen bist, Inschallah , wird das für dich nicht mehr gelten. Im Moment aber sind uns die Hände gebunden. Also pack den Koran in den Schrank, wenn er hier ist. In Ordnung?«
    Natürlich wusste sie nicht, dass es keinen Koran mehr gab, den ich in den Schrank hätte packen können. Und nach Vaters Drohung, mir auch noch den anderen Arm zu brechen, wollte ich es ihr auch nicht auf die Nase binden.
    »Okay«, sagte ich.
    »Guter Junge«, antwortete sie. »Und noch eins: Nichts mehr über Nathan. Erwähne seinen Namen nicht mehr. Auf keinen Fall … okay?«
    Nur wenige Wochen früher wäre ich überglücklich gewesen, wenn sie mich darum gebeten hätte. Jetzt verspürte ich nur Scham und Reue.
    »Okay, Hayat?«, wiederholte sie.
    »Okay«, antwortete ich.
    Mina fand mich an diesem Nachmittag in ihrem Zimmer, als ich vor ihrem Bücherregal stand und ihren Koran durchging. »Was machst du da, Behta ?«, fragte sie.
    »Etwas in deinem Koran nachschlagen, Tante.«
    »Aber du hast doch selbst einen.«
    Ich zögerte. »Ich wollte es in deinem sehen.«
    »Aber du hast den gleichen.«
    Ich verstummte. Ich wollte ihr sagen, was vorgefallen war. Damit, dachte ich mir, könnte ich vielleicht die schreckliche Distanz überwinden, die zwischen uns herrschte.
    »Dad hat ihn verbrannt.«
    »Er hat was ?«
    »Er wollte nicht, dass ich darin lese. Aber dann hat er mich dabei erwischt. Und er hat ihn verbrannt.«
    Mina schlug die Hand vor den Mund. »Mein Gott …«, sagte sie und wandte den Blick ab. Ich hatte erwartet, dass sie wahnsinnig wütend werden würde. Aber sie wirkte nur besorgt. »Komm her, Hayat«, sagte sie und setzte sich aufs Bett. »Komm her zu mir.«
    Ich setzte mich neben sie.
    » Behta «, begann sie. »Dein Vater hat mich gebeten, mich nicht mehr um deine religiösen Studien zu kümmern. Ich musste es ihm versprechen … und dieses Versprechen muss ich halten. Schließlich bin ich sein Gast.«
    Ich sagte nichts. Mein Blick fiel auf den Koran in meinen Händen, und ich musste an den ersten Koranunterricht denken, hier in diesem Zimmer und an jenem Abend, als in ihrer Gegenwart und in Gegenwart der heiligen Worte, die zu verstehen sie mir beigebracht hatte, etwas in mir geweckt worden war. An diesem Abend hatte mir Mina zum ersten Mal von den Hafiz erzählt, hoffnungsfroh hatte ich mich an diesem Abend schlafen gelegt und von Glückseligkeit geträumt. Traurig dachte ich jetzt daran. Wie lange das her war. Jetzt war alles anders. Mina liebte mich nicht mehr so, wie sie mich damals geliebt hatte. Und das war, wie ich wusste, allein meinem Tun zuzuschreiben.
    »Denke nicht, dass ich ihm in dieser Sache zustimmen würde, mein Lieber«, fuhr Mina fort und wischte meine Tränen weg. »Aber ich muss seinen Willen achten. Es ist sein Haus. Das verstehst du doch, oder? Behta? «
    Ich wusste nicht, was ich verstand, aber ich nickte.
    Vater hatte zunehmend schlechte Laune. Irgendwann Mitte September, nachdem klar war, dass es mit Mina wirklich aus war, nahm Nathan Urlaub und fuhr nach Boston, um seine Eltern zu besuchen. Zwei Wochen darauf war er immer noch nicht zurück. Und dann, ohne vorherigen Anruf oder Vorwarnung, erhielt Vater von ihm einen Brief. Nathan war eine Stelle am Massachusetts General Hospital angeboten worden, die er angenommen hatte. Er wollte an der Ostküste bleiben.
    Vater war der Verzweiflung nahe. Er verlor nicht nur seinen besten Freund, sondern auch den wissenschaftlichen Mitarbeiter, durch den der gemeinsame Erfolg überhaupt erst möglich geworden war. Er wusste nicht, ob er seine Arbeit ohne Nathan fortsetzen konnte, und tat alles in seiner Macht Stehende, um seinen Kollegen umzustimmen. Er spielte sogar mit dem Gedanken, nach Boston zu ziehen, damit sie dort ihre Forschungsarbeiten fortführten. Aber, erzählte Nathan Vater, der alleinige Grund für diesen Schritt sei es doch eben gewesen, sämtliche Verbindungen zu kappen. Ihm sei noch nie so das Herz gebrochen worden – ja, bislang habe

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