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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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meinem Blut richtig in Fluss; mein Plan nahm Gestalt an. Ein Brief würde nicht genügen. Man könnte viel zu leicht herausfinden, dass er von mir stammte. Plötzlich erinnerte ich mich an den Tag, an dem Mina uns über ihren Flug informiert hatte.
    Ein Telegramm.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück. Zehn Wörter oder weniger , ging mir durch den Kopf.
    In meiner Schreibtischschublade kramte ich nach dem Rest der zwanzig Dollar, die Vater mir ein Jahr zuvor geschenkt hatte. Neun Dollar hatte ich ausgegeben, alles für Süßigkeiten, also besaß ich noch elf Dollar. Ich zog meine Sneakers an und ging hinaus in die Garage. Es war nicht einfach, mich mit dem Gipsverband aufs Fahrrad zu schwingen und das Gleichgewicht zu halten, aber irgendwie klappte es, und ich radelte davon.
    In den knapp zwanzig Minuten, die ich für die Fahrt zur Mall brauchte, reifte in mir ein Entschluss. Ich konnte ihn nicht als Juden bezeichnen. Sonst wäre man zu schnell dahintergekommen, dass ich die Nachricht abgeschickt hatte. Also würde ich ihn einen Kafir nennen. Das Wort, das im Koran so häufig vorkam: einen »Ungläubigen«.
    Ich lehnte mein Fahrrad an die Sträucher vor dem Eingang zur Mall. Der Western-Union-Laden war leer. Ich trat an den Schalter. Vor mir saß der Mann mit den strahlend blauen Augen und dem violetten Fleck im Gesicht, der uns Minas Telegramm gebracht hatte. Er schälte eine Orange, schließlich sah er auf.
    »Kann ich behilflich sein?«, fragte er verdutzt. Ich hatte keine Ahnung, ob er sich an mich erinnerte.
    »Ich muss ein Telegramm verschicken.«
    »Nach Übersee?«
    »Ja.«
    »Hier«, sagte er, wischte sich die Hände am Ärmel ab und schob mir ein Formular durch die schmale Öffnung unten am Schalterfenster. »Füll es aus und gib es mir dann. Sechs Dollar für zehn Wörter oder weniger. Jedes Wort darüber kostet weitere siebzig Cents. Satzzeichen zählen mit.«
    Ich trat zur Seite und füllte das Formular aus, schrieb sorgfältig die Buchstaben, ließ mir Zeit und achtete darauf, dass alles lesbar war:
    MINA HEIRATET EINEN KAFIR STOPP SEIN NAME LAUTET NATHAN
    Als ich damit fertig war, zog ich den Zettel mit der Adresse in Karatschi heraus und trug sie im dafür vorgesehenen Feld ein:
    Hamed Suhail
Dawes Lines Rd 14
Karatschi, Pakistan
    Darunter befand sich ein weiteres Feld für die Angaben zum Absender. Daran hatte ich nicht gedacht. Ich überlegte, ob ich einen Namen und eine Adresse erfinden sollte, bis mir bewusst wurde, dass ich keine Adressen kannte außer die in dem Stadtteil, in dem wir wohnten.
    Eine leise Stimme flüsterte mir zu, dass das nicht funktionieren würde.
    Ich sah zum Schalterfenster und bemerkte, dass der Mann mich anstarrte. »Brauchst du Hilfe?«, fragte er kauend.
    »Nein.«
    »Wo hakt es?«
    »Nirgends. Denk nur nach.«
    Er nickte, drehte sich weg und verschwand. Ein Radio war zu hören, ein Rauschen, dann leises Geplauder.
    Ich sah mich um. Der Linoleumboden war mit zerrissenen und zerknüllten Formularen übersät, in den Ecken sammelten sich Staubflocken. Neben dem Schalter, an der gegenüberliegenden Wand, lagen die Gelben Seiten aus.
    Adressen , dachte ich.
    Ich ging zum Telefonbuch, schlug es willkürlich auf und überflog die Seite. Die rot-blaue Anzeige eines Chevrolet-Händlers fiel mir ins Auge:
    Seastrom Chevrolet
2710 Nebraska Avenue
Milwaukee WI 53215
    Ich übertrug die Adresse auf mein Formular, brauchte aber immer noch einen Namen. Ich las noch mal die von mir verfasste Botschaft.
    Kafir .
    Plötzlich stand mir Sonny Buledi vor Augen. Der einzige wahre Kafir, den ich kannte.
    Ich trug seinen Namen ein. »Sonny Buledi.« Dann ging ich an den Schalter.
    Der Mann mit dem Mal im Gesicht stand in der offenen Tür zum hinteren Raum und lauschte. Aus dem Radio tönte eine schneidende Stimme, die vom Herrn und von Jesus Christus sprach. Er bemerkte mich. »Fertig?«, fragte er und kam nach vorn.
    Als er nach dem Formular griff, verspürte ich einen ersten Anflug von Reue. Das öde Büro, die gellende Radiostimme, das Mal im Gesicht des Mannes … Plötzlich wollte ich mit alldem nichts mehr zu tun haben. Der Mann fasste nach dem Blatt, an das ich mich jetzt regelrecht klammerte. Er zog an. Kurz glaubte ich, es könnte zerreißen. Dann ließ ich los.
    Er schien nicht zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.
    »Sechs Dollar«, sagte er, nachdem er den Text überflogen hatte. »Mit Steuern sechs-einunddreißig.« Ich zählte sieben Dollar ab und schob die Scheine durch die

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