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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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schon ein riichtiger Haaafiz.«
    »Wie heißt er?«, fragte ich.
    »Farhaz … Vielleicht wirst du ihn bald keeennenlernen«, sagte er und drehte sich lächelnd zu Mina hin.
    Ich sah zu ihr. Sie schob sich eine Haarsträhne, die sich auf der Stirn gelöst hatte, unter den Schleier. In diesem Moment fiel mir der riesige funkelnde Diamant auf, den sie am Ringfinger der linken Hand trug. Sie bemerkte meinen Blick. »Ah … Onkel Sunil hat ihn mir geschenkt.« Sie hielt mir die Hand hin. »Ein Verlobungsring.«
    »Er ist groß«, sagte ich.
    Erneut drückte mir Sunil seine Fingernägel in die Hand. »Na, vielleicht wirst du Farhaz früher keeennenlernen, als du denkst …«
    Imran greinte; er fühlte sich ausgeschlossen. Sunil ließ meine Hände los und hob sich den Jungen auf den Schoß. Worauf Imran kreischte, weil er damit – obwohl er selbst um die Aufmerksamkeit gebettelt hatte – nicht mehr an seine Spielsachen konnte. Sunil strich ihm liebevoll übers Haar und küsste ihn auf die Wange, und mit einem Mal versank Imran in Sunils Umarmung, als gäbe es nichts auf der Welt, wo er jetzt lieber gewesen wäre.
    »Ich hab dich lieb, Dad«, sagte Imran leise.
    »Ich hab dich aaauch lieb, Behta «, sagte Sunil und streichelte ihn.
    Mina war sichtlich bewegt.
    Sunil sah zu mir. »Das heißt, ich werde dein richtiger Onkel sein. Und ich wiiill, dass wir für dich die zweiten Eltern sind. Wenn du iiirgendwas brauchst?«
    Ich sah ihm in die zwinkernden Augen und wusste nicht recht, wie ich darauf reagieren sollte. Mutter tauchte in der Tür auf und klatschte in die Hände. »Okay, Kinder. Es ist an der Zeit, dass die Erwachsenen miteinander reden. Holt eure Jacken und geht raus zum Spielen.«
    Imran kreischte und quengelte wieder, aber Mutter wusste ganz genau, was sie zu sagen hatte. »Du magst doch das Baumhaus so sehr, oder?« Imran biss sich auf die Lippen und nickte. Mutter lächelte und sah zu mir. »Hayat«, befahl sie. »Nimm ihn mit ins Baumhaus.« Imran hüpfte von Sunils Schoß und rannte hinaus.
    Als ich ihm in den Flur folgte, packte mich Mutter am Ellbogen meines noch immer eingegipsten Arms. »Und halt dem Jungen gegenüber deine Zunge im Zaum«, murmelte sie mir zu. »Wir brauchen nicht noch mehr Probleme.«
    Es war ein nasser, grauer Tag. Der Himmel war aufgewühlt. Genau wie ich. Ich wusste, ich hätte glücklich und zufrieden sein sollen darüber, wie sich alles fügte, aber ich war es nicht. Was Mutter zu mir gesagt hatte, tat weh. Dazu kam der schmerzliche Neid, den ich verspürte, als Sunil von seinem Neffen erzählt hatte, Farhaz, den richtigen Hafiz , wie er ihn genannt hatte. Und da war noch etwas, was ich nicht richtig zu fassen bekam, was mich aber auch nicht loslassen wollte.
    Ich folgte Imran, trottete mit gesenktem Kopf über die Rasenflächen mit dem durchweichten Laub. Er nahm den üblichen Weg und trällerte vor sich hin. Wir gingen den Hügel hoch in Richtung der Gartners, deren eingeschossiges Haus hinter der Hecke auftauchte. Imran raste voraus, lief die leere Einfahrt hinauf, vorbei an den hohen Trauerweiden, die den Garten säumten und deren hängende Äste im kalten Wind zitterten.
    Ich blieb stehen und sah zu den Bäumen. Warum haben sie heute so gar nichts Tröstliches an sich wie sonst? , kam mir in den Sinn.
    Ich ging zur Eingangstür. Imran drückte bereits auf die Klingel. Im vorderen Fenster waren die Vorhänge weggezogen, drinnen brannte kein Licht. Wir spähten durch das Küchenfenster. Auch dort war es finster. Die Katze der Gartners – eine Perserkatze mit gesprenkelten lapislazuliblauen Augen – stand auf der Küchentheke und starrte uns ruhig und unergründlich an.
    Wir gingen nach hinten zu den Bäumen, deren dicke Stämme von den ineinander verschachtelten Wänden des gut fünf Meter über uns liegenden, kunstvollen Baumhauses überbrückt und gekrönt wurden. Imran drehte sich zu mir um und ersuchte um meine Erlaubnis. Ich nickte. Er schoss davon, packte mit seinen kleinen Händen die Leiter und begann hinaufzuklettern. Ich rührte mich nicht und sah ihm zu. Seine kleinen Schuhe quietschten auf den nassen Sprossen.
    Warum haben sie ein Baumhaus gebaut? , fragte ich mich. Wofür brauchen sie das?
    Imran verschwand im Eingang, der in den Boden des Baumhauses gesägt war, kurz darauf erschien sein Kopf in einem der Fenster.
    »Komm schon, Hayat«, sagte er und winkte mir zu.
    Ich hob meinen Arm und zeigte ihm den Gips.
    »Wann kommt er weg?«, quengelte

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