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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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als würden sie, genau wie der Berggipfel, starkes Sonnenlicht widerspiegeln. Erstaunt betrachtete er das Display, das langsam dunkler wurde und verlosch.
    Er hätte das Telefon vor Schreck fast fallen gelassen, als es in seiner Hand zu brummen und zu zittern begann wie ein großes Insekt. Das Display leuchtete, und die Buchstaben im Namen »Himmelstal« pulsierten im Takt mit den Vibrationen. Sekunden später kam das Klingeln.
    Mit schweißnassem Finger drückte Daniel die Antworttaste und hielt das Telefon ans Ohr.
    »Ja?«, bekam er heraus. »Bist du es? Wo bist du denn?«
    »Hallo Max«, sagte eine Frauenstimme. »Hier spricht die Rezeption.«
    »Oh. Ist er gekommen?«
    »Nein. Aber ich habe eine Mitteilung von Doktor Obermann für dich. Sie will dich heute um 16:30 sehen.«
    Gisela Obermann. Die Psychiaterin. Max hatte von ihr gesprochen, erinnerte sich Daniel.
    »16:30«, sagte er zögernd. »Tut mir leid. Das passt gar nicht.«
    Er hörte selbst, wie lächerlich das klang. Ein Psychiatriepatient mit vollem Terminkalender.
    »Kannst du einen anderen Termin vorschlagen?«
    »Ich möchte am liebsten gar nicht hingehen«, sagte er so höflich wie möglich. »Ich bin nicht motiviert. Doktor Obermann kennt meine Einstellung.«
    Es wurde still.
    Daniel hielt die Luft an. »Du brauchst nur nein zu sagen«, hatte Max gesagt. Wie sehr konnte man darauf vertrauen? Es war vielleicht gar nicht so leicht. Würden sie ihn möglicherweise mit Gewalt abholen und ihm ein Zäpfchen in den Hintern stecken, wenn er sich wehrte?
    »Soll ich das Doktor Obermann so mitteilen?«, fragte das Mädchen.
    »Ja bitte. Das wäre nett.«
    »Du kannst ja Doktor Obermann anrufen, wenn du es dir anders überlegst. Sie findet bestimmt einen passenden Termin.«
    »Natürlich. Wie lautet ihre Nummer?«, fragte Daniel höflich.
    »Du hast ihre Nummer«, sagte die Rezeptionistin und legte auf.
    Daniel öffnete das Telefonbuch des Handys. Da gab es jede Menge Namen. Meistens nur die Vornamen. Manchmal Vor- und Nachnamen. Oder Nachnamen und Titel, »Doktor Obermann« war auch dabei. Alle anderen Namen waren fremd für ihn. Außer einem: »Corinne«.

 
    20  Um Viertel vor fünf am Sonntagnachmittag klopfte es an die Tür. Daniel zog den Vorhang der Schlafkoje zur Seite und setzte sich im Bett auf, aber bevor er aufstehen konnte, stand die kleine dunkelhaarige Hostess mit einem Kollegen auf der Schwelle.
    »Seid ihr schon da?«, fragte Daniel.
    Er war eingeschlafen und wusste nicht so recht, ob es die Morgen- oder Nachtpatrouille war. Beides kam ihm verkehrt vor.
    »Zeit für den Test«, sagte die kleine Dunkelhaarige.
    »Was für einen Test?«
    »Nur eine normale Blutprobe«, sagte der Steward ruhig und lehnte sich an den Türpfosten. »Nur einen Piekser in den Arm. Und ein paar neue Bilder von deinem Gehirn. Ganz schmerzlos.«
    Was war das denn? Max hatte gesagt, so etwas würde nicht vorkommen.
    Durch die geöffnete Tür konnte er ein paar kräftig gebaute Männer in Uniform warten sehen.
    »Hat das nicht noch ein wenig Zeit?«, fragte er. »Ich möchte es lieber ein anderes Mal machen lassen.«
    »Du hast auch schon Doktor Dobermann abgewiesen«, sagte der Steward.
    Er hing grinsend und mit verschränkten Armen am Türpfosten, die blaue Uniformmütze hatte er in den Nacken geschoben.
    »Überhaupt nicht. Ich wollte nur einen anderen Termin«, sagte Daniel. »Ich werde Doktor Obermann später aufsuchen.«
    »Nein, du hast gesagt, du seist nicht motiviert«, sagte der Steward nachdrücklich.
    »Hab ich das gesagt?«
    »Vielleicht müssen wir dich motivieren.«
    Er grinste wieder. Daniel hatte fragen wollen, warum er sie Doktor Dobermann nannte.
    »Wir haben nicht ewig Zeit«, sagte die Hostess. »Lass es uns einfach zügig hinter uns bringen. Morgen bist du wieder in der Hütte. Du und Marko.«
    Sie machte eine Handbewegung zur Hütte nebenan. Daniel trat vor die Tür. Sein Nachbar stand vor seiner Hütte und schaute bockig auf seine Füße.
    Die Wachleute waren zu viert. Sie starrten mit leerem Blick vor sich hin, untätig, gelangweilt, jedoch mit einer versteckten Energie, wie gezügelte Pferde, die auf das Kommando des Kutschers warten.
    »Es ist doch nicht das erste Mal, Max. Es ist nichts Besonderes«, fuhr die Hostess fort. »Wir bringen euch jetzt auf eine Krankenstation. Wir wollen euch unter Kontrolle haben. Heute Abend MRT . Morgen früh Blutabnahme. Ihr müsst davor zwölf Stunden gefastet haben. Also kein Frühstück.«
    »Aber danach

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