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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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entschieden, dass ich diejenige war, die ihn benutzt hatte und nicht umgekehrt. Dann konnte ich ihm wenigstens das gleiche zugestehen. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Ich musste mich im Griff haben. Das hatte ich mir vorgenommen.
    Else schob mir eine Schubkarre hin. Ich griff nach zwei Eimern weißer Farbe und wollte dazu intensives Krapp rot nehmen, entschied mich im letzten Moment aber doch für ultramarin hell, ein gedecktes hellblau, etwas Beruhigendes. Else packte Rollen und Pinsel dazu und noch ein paar belegte Brote für den Tag.
    „Armes Kindchen, muss arbeiten am Sonntag“, wiederholte sie noch einmal und zauberte noch eine Tafel Schokolade aus der Kitteltasche hervor.
     „Oh, danke Else. Aber …“ Ich blieb noch einmal vor dem Plan stehen.
    „Ich will trotzdem wissen, wo das zweite Haus steht.“
    Else schüttelte mit dem Kopf.
    „Leo hat mir strengstens verboten, dir das zu sagen.“
    Ich schluckte. Das war ja noch schlimmer, als ich dachte. Er hatte Schiss, dass ich ihn aufsuchte, ihm nachrannte am helllichten Tage. Das war ja wirklich allerunterste Schublade.
    „Aber warum das denn?“, begehrte ich auf, als wenn Else was an Leos Verhalten ändern könnte.
    Sie zuckte mit den Schultern. Es war klar, sie konnte es mir nicht sagen. Ich dachte an den Abend im Akademie-Café, als Leo mit seinem Freund Kay hereingeplatzt war. Else hatte er längst um den Finger gewickelt. Sie machte, was er sagte. Ich war wütend auf sie.
    „Dann eben nicht“, zischte ich und steckte ihr die Tafel Schokolade zurück in die Kitteltasche, weil sie sich weigerte, sie wieder zu nehmen.
    Ich wollte keinen Trostpreis dafür, dass sie zu Leo hielt.
    Ich packte die Griffe der Karre und holperte ungeschickt davon.
    „Aber Kindchen …!“, rief mir Else hinterher und machte ein trauriges Gesicht. Ich ließ sie einfach stehen.
    Mürrisch schob ich die Karre über einen sandigen Waldweg mit ein paar Grasbüscheln, die mein Gefährt dauernd zum Kippen bringen wollten. Sollte er die Drecksarbeit machen, wenn er unbedingt wollte. Wahrscheinlich kam er wegen dem Rat aus der Nummer nicht mehr heraus und wollte mich dabei nicht sehen. Na und. Ich wollte ihn auch nicht sehen. So rum war es doch. Das hätte ich Else noch sagen sollen. Dass sie ihm MEIN Haus auch nicht zeigen sollte. Obwohl, wahrscheinlich hatte Leo sich bereits das Beste rausgesucht. Das würde ihm ähnlich sehen.
    Endlich tauchte das abgeranzte Haus vor mir auf. Es stand versteckt hinter zwei riesigen Büschen mit weißen Blüten, ein bisschen erhöht auf einer Wiese mit tiefgelben Butterblumen. Butterblumen im Oktober. In der magischen Welt vergaß man, welche Jahreszeit draußen ablief. Nur manchmal erinnerte man sich daran und es war ein seltsames Gefühl.
    Der Anblick des Häuschens stimmte mich irgendwie milde. Es wirkte so freundlich und friedlich. Es hatte zwei kleine Fenster unten und ein rundes im Giebel. Über die Breite des Eingangs ging eine Terrasse aus Holzdielen. Darauf stand eine kleine Hollywoodschaukel. Die Farbe war zwar ziemlich abgeblättert und sah zusammengeflickt aus durch die neuen Holzbalken und Latten, mit denen die unbrauchbaren bereits ersetzt worden waren, aber mit meinen Farbeimern würde es bald wieder ein Schmuckstück sein.
    Der Schlüssel des Hauses steckte. Ich ging hinein. Und wusste sofort, dass ich die oberen Wände der Küche gelb wie die Butterblumen draußen streichen würde. Bis zur Hälfte war sie mit weiß lackiertem Holz getäfelt. In dem kleinen Zimmer daneben das gleiche. Eine Tür führte nach hinten hinaus auf die Terrasse, die rund um das Haus verlief. Dahinter begann der Wald. Das Zimmer würde ein sonniges Orange bekommen. Ich stieg eine Holztreppe hinauf auf den Schlafboden. Er erinnerte mich an den von Leo, war aber viel kleiner und vor allem viel freundlicher. Die Balken und Dachlatten waren sämtlich erneuert. Ich beschloss, das warme helle Holz mit Klarlack zu lackieren. Die abgetretenen Dielen sollten hellblau werden. Das winzige Bad neben der Küche mit der eingebauten Dusche lagunengrün.
    Ich beschloss, mit dem Außenanstrich zu beginnen und machte mich an die Arbeit. Stunde um Stunde verging. Die monotone Arbeit tat irgendwie gut und machte den Kopf frei. Im Schatten der Blumenbäume machte ich es mir am frühen Nachmittag mit dem Lunchpaket gemütlich und betrachtete meine bisherige Arbeit. Ich gestaltete die Farben so, wie ich die kleinen Schwedenhäuschen im Kopf hatte, als ich mit meiner Mutter

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