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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Zwar war es nicht stockdunkel, weil durch das kleine Fenster in der Tür Licht aus dem Flur schien, aber das reichte nicht, um die Schatten fernzuhalten. Ich starrte auf das Fensterchen. Es begann zu verschwimmen. Der Knopf! , dachte ich. Doch ehe ich ihn betätigen konnte, legte sich eine lähmende Schwere über mich, die auch alle anbrandenden Ängste erdrückte, und schon war ich eingeschlafen.
    ***
    Ich wusste nicht gleich, ob es ein Traum war oder Wirklichkeit. Man hatte mich losgebunden. Ich saß auf meinem Krankenbett. Es war dunkel. Das Licht aus dem Flur kam jetzt gedämpft durch das kleine Fensterchen. Vom Gefühl her musste es tief in der Nacht sein, vielleicht zwei Uhr. Links und rechts neben mir standen zwei tiefschwarze Gestalten und halfen mir auf die Beine. Eine von ihnen trug meinen Rucksack. Sie nahmen jeder eine meiner Hände und führten mich zum Fenster. Die Innenflächen ihrer Pranken waren samtweich. Sie hatten tiefschwarze Gesichter, in denen sich Konturen von Augen, Nase und Mund abzeichneten. Ich spürte eine seltsame freudige Erregung und den Wunsch, mit ihnen zu verschmelzen. Sie öffneten lautlos das Fenster. Dahinter befanden sich Gitter. Für einen Moment schwand meine Hoffnung. Sie waren gekommen, mich zu befreien, aber es gab für mich keinen Weg hier raus. Schließlich befand ich mich in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Doch dann geschah etwas absolut Unrealistisches. Einer von ihnen bog die mittleren Stäbe auseinander, als wären sie aus süßem Speck. Und während sie wie Qualmsäulen links und rechts von mir hindurchschwebten, zogen sie mich durch die Mitte. Ich flog durch die Schwärze der Nacht, über mir sah ich unzählige Sterne. Nur im Traum konnte man fliegen. Aber dann landete ich etwas unsanft auf einer feuchten Wiese hinter der Mauer des Krankenhausgeländes. Ein stechender Schmerz schoss durch meinen linken Knöchel, hinauf bis unter die Rippen. Es tat höllisch weh. Der Schmerz brachte wieder Klarheit in meinen Verstand. Das war kein Traum. Das war Realität. Es musste an dem Schlafmittel liegen, dass ich alles so gedehnt langsam wahrnahm. Oder an den Ereignissen. Eine Laterne schimmerte schwach vom Gelände des Krankenhauses herüber. Jeder andere hätte sich bei einem Sprung aus dem vierten Stock zu Tode gestürzt, aber ich war geflogen und ein ganzes Stück weiter einfach gelandet und hatte mir nur den Knöchel gestaucht. Ich war draußen, ich war wieder frei … und gleichzeitig von viel schlimmeren Mächten gefangen. Unter diesen Umständen konnten sie keine Einbildung sein. Das war unmöglich. Die unheimlichen Gestalten griffen mir wieder links und rechts unter die Arme und halfen mir auf. Diesmal hatten sie mich unter Kontrolle. Ich spürte nackte Angst. Es gab keine Menschenseele weit und breit.
    „Wer seid ihr und was wollt ihr von mir?“, fragte ich mit schriller Stimme.
    Ich versuchte, mich loszureißen, aber es war ein sinnloses Unterfangen. Der eine antwortete mit der unheimlich melodischen Stimme, die ich schon kannte:
    „KOMM. Wir bringen dich in Sicherheit. Hab keine Angst.“
    Und dann zogen sie mich mit sich fort in das Waldstück, was vor uns lag. Ich beschloss, mich nicht zu wehren. Ich sah ein, dass ich keine Chance hatte. Trotzdem hoffte ich, dass sich noch eine Gelegenheit bieten würde. Doch dazu musste ich sie in Sicherheit wiegen, ihnen erst mal das Gefühl vermitteln, dass ich mich in mein Schicksal ergab. Sie bewegten sich völlig lautlos Die Bäume schienen sich vor ihnen zur Seite zu biegen. Ich schaute auf ihre Füße, aber sie hatten keine, während ich hinter ihnen her humpelte und sich eine Wurzel oder ein spitzer Stein nach dem anderen in meine Fußsohlen bohrten. Wir erreichten den Rand des Waldstückes. Sie wollten mich über die angrenzende Ausfallstraße ziehen, doch wichen zurück, weil plötzlich ein Auto mit unerhörter Geschwindigkeit um die Ecke geschossen kam. Grelle Scheinwerfer, die auf Fernlicht gestellt waren, blitzten auf. Das war die Gelegenheit! Ich fuchtelte wild mit den Armen und stürzte mich auf die Straße in der Hoffnung, dass der Fahrer bremsen würde. Und ich hatte Glück. Das Auto kam einige Zentimeter vor mir zum Stehen. Die Fahrertür flog auf. Ich blickte um mich. Sie waren fort! Mein Gott, ich hatte es geschafft. Ein kleiner, untersetzter Typ um die vierzig mit ungepflegten schwarzen Locken beugte sich über mich.
    „He, biste in Ordnung?“
    „Ja, geht schon.“ Er reichte

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