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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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hatte ein weiteres Verbrechen begangen, vielleicht einen Mord. Mein Leben war völlig aus den Fugen. Vor allem durfte ich niemals daran denken, wie es nach dem Bunker weitergehen sollte. Von Ferne hörte ich eine Sirene. Das Auto schlingerte, ich trat hektisch auf die Bremse, stieß gegen das Lenkrad und kam vor einer grünen Ampel zum Stehen.
    Okay, weit war es nicht mehr von hier zum Humboldthain. Den Rest würde ich rennen. Ich ließ das Auto mitten auf der Straße stehen, während ein Krankenwagen mit Sirene und Blaulicht auswich und vorbeisauste, schnappte mir meinen Rucksack und rannte los. Es war die richtige Entscheidung. An der nächsten Querstraße entdeckte ich eine Polizeikontrolle, die nächtliche Fahrer auf Alkohol untersuchte. Denen wäre ich in die Falle gegangen.
    Die Straßen waren leer, die Lichter hinter den Fenstern erloschen. Ich rannte, so schnell ich konnte und scannte dabei meine Umgebung, so gut es ging. Zwei Straßenecken trennten mich noch von meinem Ziel. Dann war ich endlich da. Diesmal war ich außer Atem, als wäre ich mit 100 km/h durch die Stadt gefegt, was vielleicht sogar stimmte.
     
    Ich kannte den Eingang zum Humboldthain, auch wenn ich noch nicht oft hier gewesen war, und wusste, dass es hier unterirdische Gewölbe gab. Allerdings hatte ich den großen Hügel gleich am Anfang nie als mit Sträuchern und Gras bepflanzten alten Bunker wahrgenommen, sondern immer nur als Anhöhe, zu der einige Stufen hinaufführten und auf der sich einige Parkbänke befanden. Jetzt fiel mir jedoch die in den Berg eingelassene Eisentür ins Auge. Sie war einen halben Meter zurückgesetzt und teilweise von Efeu verhangen. Davor wucherten dornige Kriechgewächse. Okay, sie fiel einem nicht gleich auf, wenn man nicht danach suchte. Ungläubig bewegte ich mich darauf zu und stolperte über einen Penner, der davor in eine alte Decke gerollt schlief. Er schielte kurz nach mir, dann grummelte er ein mürrisches „Besetzt!“ und zog die Decke enger um sich. Ja, das war ein guter Platz, wenn man sonst nichts hatte. Unter anderen Umständen hätte ich Angst gehabt und sofort das Weite gesucht. Aber jetzt war ich froh, dass er da war. Ich tastete mich an ihm vorbei und fand eine Klinke.
    „Verpiss dich, man …“, stöhnte es hinter mir. Ich hoffte, dass er mich in Ruhe ließ, damit ich ihm Keine verpassen musste. Ich drückte die Klinke hinunter. Natürlich verschlossen.
    Plötzlich kam mir mein Unterfangen völlig hirnrissig vor. Warum sollte Atropa mitten in der Nacht hinter der verschlossenen Tür zur Berliner Kanalisation hocken?
    Andererseits, nichts war mehr normal und sie hatte das letzte Mal geklungen, als würde sie Tag und Nacht warten. Noch einmal griff ich beherzt zu - und hielt Klinke samt Schloss in der Hand. Der verrostete Mechanismus war einfach herausgebrochen. Ich verfügte inzwischen über weitaus größere Kräfte als eine gewöhnliche 17-Jährige und Atropa hatte das eingeplant.
    „Geht’n da ab, sa ma …?“
    Der Penner hinter mir kam in Bewegung. Seine Alkoholfahne stieg in meine Nase, aber es gelang ihm nicht rechtzeitig, auf die Füße zu kommen. Schnell schlüpfte ich hinein und zog die kaputte Tür hinter mir ran.
    Augenblicklich umgab mich tiefes Schwarz. Wie sollte ich mich hier zurechtfinden? Der Penner versuchte sich inzwischen von der anderen Seite Zugang zu verschaffen. Ich hörte ihn fluchen und grummeln. Zum Glück gab er bald wieder Ruhe und schob meine Erscheinung wohl seiner Einbildungskraft zu.
    Langsam begann die mich umgebende Schwärze zu weichen, meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Mehr noch, sie schienen sich anzupassen. Ich befand mich in einer gemauerten Röhre und es wurde immer heller, obwohl ich nirgends eine Lichtquelle ausmachen konnte. Alles war in einen grünlichen Schimmer getaucht, als hätte ich eine Infrarotlichtbrille aufgesetzt. Es musste an meinen Augen liegen. Es war eine neue Fähigkeit. Inzwischen wunderte mich gar nichts mehr.
    Ich setzte mich in Bewegung. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich schlammig an. Das Glucksen meiner Schritte hallte von den Wänden wider. Die Röhre wand sich etwa zehn Meter lang in einer Kurve nach links und führte leicht bergab. An Ihrem Ende nahm ich ein Flimmern auf den über hundert Jahre alten Backsteinen wahr. Das mussten Spiegelungen von Wasser sein.
    Plötzlich stand ich vor einem Loch und verlor beinahe das Gleichgewicht. Ich schaute hinunter. Von dort unten kam das Flimmern. Es gab

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