Himmlische Juwelen
oder andere Weise, sich in Rom für eine bessere
finanzielle Unterstützung ihrer harten Arbeit einzusetzen.
Dann ein paar Briefe von Frauen mit deutschen Nachnamen, von denen
Caterina keine einzige im Internet finden konnte; sie schwärmten von Steffanis
Musik, und eine fragte, ob er sie mit einer Abschrift eines seiner Kammerduette
beehren könne. Antworten auf diese Briefe lagen nicht bei.
Hatte Steffani in den Jahren vor seinem Tod seine Papiere
durchgesehen und nur die behalten, die er für wichtig hielt, oder hatte man
nach seinem Tod seine Habseligkeiten unbesehen verpackt? Sie fand einfach
keinen gemeinsamen Nenner für diese Papiere. Von der Partitur abgesehen, konnte
sie die Unterlagen nicht gewichten.
Sie verschnürte das Päckchen wieder, trug es zum Tresor und legte es
umgedreht auf den schon durchgearbeiteten Stapel. Jetzt war nur noch ein
Päckchen in der ersten Truhe übrig; sie band es auf und begann zu lesen.
Nach über einer Stunde konzentrierter Arbeit hatte sie erst eins von
zwei engbeschriebenen Blättern geschafft, Vorder- und Rückseite, und kam zu dem
Schluss, dass dies eine Sackgasse war. Hier wurden Ereignisse und Gespräche in
einer Schrift rekapituliert, die sich von der unverkennbaren Schrift Steffanis
unterschied – ob er einen Sekretär gehabt hatte? –, und wieder ging es um die
Bekehrung oder [240] Rekonvertierung diverser deutscher Adliger und Würdenträger
zum Katholizismus. Da diese Leute nur mit Namen bezeichnet wurden, konnte
Caterina die politische Bedeutung ihres Bekenntniswechsels nicht einschätzen.
Auf der ersten Seite ging sie gründlich vor, durchsuchte die üblichen
historischen Verzeichnisse und Webseiten nach den Namen und identifizierte die
meisten von ihnen. Aber was genau bedeutete die Bekehrung von Henriette
Christine und Gräfin Augusta Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt, selbst wenn das
die Töchter von Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel waren?
Es war zwei, sie hatte Hunger und langweilte sich entsetzlich, was
ihr beim Forschen noch selten passiert war. Was für ein sinnloses Unterfangen,
nach Hinweisen auf einen Schatz zu suchen, um den sich die habgierigen
Nachkommen ohnedies nur streiten würden. Da würde sie noch lieber Romane wie
den aus d’Annunzios Bibliothek auftreiben, bis zum Ende des Monats nur noch
Schund lesen und, statt die Papiere zu entziffern, frei erfundene Berichte und
Übersetzungen verschicken: Vielleicht sollte sie ja für ihre Zusammenfassungen
die Plots dieser Romane benutzen? Vielleicht könnte sie auch endlich aufbrechen
und etwas essen?
Sie schloss die Papiere sorgfältig ein, sperrte die Bürotür ab und
dann unten die Tür zum Treppenhaus. Die Tür zu Roseannas Büro stand offen:
Vorhin war sie noch zu, und Roseanna hatte auf ihr Klopfen nicht reagiert. Also
war Roseanna da gewesen, aber nicht nach oben gekommen, um nach ihr zu sehen.
Ein gutes oder schlechtes Zeichen?
Sie ging aus dem Haus und schloss ab. Während der Stunden, die sie
in der Fondazione verbracht hatte, hatte der Tag [241] seine ganze Pracht
entfaltet. Die Sonne brannte, und schnell wurde ihr warm und dann so heiß, dass
sie ihre Jacke ausziehen musste. Sie beschloss, zu Fuß zur Piazza zu gehen, und
sei es nur, um den Anblick der Kuppel von San Giorgio und des Canal Grande zu
genießen. Für das Essen würde Gott schon sorgen.
An der Riva hielt sie sich rechts, Richtung Piazza, und genoss das
prächtige Schauspiel zu ihrer Linken. Neben San Giorgio lagen mehr Boote vor
Anker als früher, sonst aber war alles beim Alten. Dachte man sich die
Vaporetti und die anderen Motorboote weg, sah es hier nicht viel anders aus als
vor Jahrhunderten. Wie zu Steffanis Zeiten, dachte sie und freute sich an der
Vorstellung.
Auf der Piazza blieb sie stehen und schaute sich um: Basilika, Turm,
Marciana, Säulen, Fahnen, Uhr: Die absurde Schönheit all dessen rührte sie fast
zu Tränen. Dabei war es ein alltäglicher Anblick für sie; sie kannte das seit
Kindertagen; dies war ihre Heimat. Sie überquerte den Platz vor der Basilika,
um Richtung Rialto zu gehen, aber die Massen, die ihr von der Merceria her
entgegenströmten, schreckten sie ab, und mit dem Gefühl, Gott habe sie
verlassen, ging sie rechts an den leoncini vorbei und
zurück in Richtung San Zaccaria.
Sie hatte die Basilika schon fast im Rücken, als sie zufällig ins
Schaufenster eines der zahlreichen Glasgeschäfte linker Hand sah und auf einem
Stuhl hinter der Kasse und mit einer Zeitung auf
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