Himmlische Leidenschaft
er.
Schweiß sammelte sich kalt zwischen Sarahs Schulterblättern. Lähmende Furcht kroch in ihr hoch. Zum Teil war es Angst um Case, zum Teil fürchtete sie um ihr eigenes Leben. Die Vorstellung, wie sich ein Schatten an sie anschlich und sie tötete, noch bevor sie auch nur schreien konnte, behagte ihr ganz und gar nicht.
Langsam, ganz langsam bewegte sie ihre Hand mit dem Revolver nach vorn, bis sie durch das Visier sehen konnte. Die Waffe war zu schwer für sie, um sie längere Zeit ruhig zu halten. Blindlings tastete sie nach Steinen und kleinen Felsbrocken in ihrer Nähe. Als sie genug zusammenhatte, türmte sie sie zu einem kleinen Hügel auf, um den Revolverlauf darauf zu stützen. Sie spähte am Lauf der Waffe entlang, während sie die Landschaft vor sich beobachtete.
Und wartete.
Nach einer Weile zerriß ein Gewehrschuß die Stille. Das Feuer wurde augenblicklich aus der Richtung erwidert, in die Case verschwunden war. Kugeln prallten kreischend vom Fels ab und sausten kreuz und quer durch den schmalen Canyon.
Noch während Sarah zusammenzuckte, richtete sie den Lauf des Revolvers auf den unteren Teil des Canyons und schickte ein stummes Gebet zum Himmel, daß Case nicht verletzt war.
Gleich darauf drang das Hufgetrappel eines galoppierenden Pferdes aus der Schlucht unter ihr herauf. Jeder einzelne Hufschlag wurde von den Felswänden des Canyons als doppeltes Echo zurückgeworfen, bis sich die Geräusche derart überlappten, daß sie unmöglich ausmachen konnte, wo das Pferd war.
Plötzlich erschienen Cases Kopf und der Lauf seines Gewehres für Sekundenbruchteile über dem Unterholz. Er feuerte, lud blitzschnell nach, feuerte und lud erneut nach. Die Schüsse folgten so
dicht aufeinander, daß sie sich wie eine einzige Salve von Donnergrollen anhörten.
Das Trommeln der Pferdehufe wurde schwächer und verstummte dann völlig.
Kugeln kamen heulend aus einer anderen Richtung geschwirrt.
Sarah wartete, aber Case erwiderte das Feuer nicht.
Es war wieder genauso wie in jener Nacht, als die Banditen angegriffen hatten - reglos warten und horchen, während ihr Herz wie wild gegen ihre Rippen hämmerte und panische Angst ihren Magen zu einem Knoten zusammenzog.
Ob er verletzt ist? dachte sie voller Furcht.
Es war einfach wider ihre Natur, tatenlos stillzuliegen und zu warten und sich vor Sorge zu verzehren. Alles in ihr drängte danach, aufzuspringen und nach Case zu sehen. Diesmal war kein Conner da, der sie mit Gewalt zurückhielt und zwang, die quälende Ungewißheit zu ertragen.
Dennoch rührte sie sich nicht vom Fleck.
Sie hatte Case ihr Wort gegeben, daß sie bleiben würde, wo sie war.
Er würde nicht damit rechnen, sie dort draußen durchs Gebüsch kriechen zu sehen. Wenn er lebte, wollte sie ihn nicht ablenken. Wenn er tot war, wollte sie ihre Position nicht an die Banditen verraten. Und wenn er verletzt war ...
Der Gedanke war einfach unerträglich.
Sie biß sich auf die Lippen, während sie den Revolver ruhig hielt und innerlich flehte, daß Case zu ihr zurückkehren würde.
Nach einer Weile drang der melodische Ruf eines Habichts an ihr
Ohr.
Mit zitternden Lippen pfiff sie eine Antwort.
Augenblicke später schlängelte sich Case durch das Unterholz und in den Schutz der Felssäulen. Er war verschwitzt, schmutzig und zerkratzt, aber ansonsten unversehrt.
Das Gewehr, das er in der Hand hielt, war sauber und schußbereit.
»Wie viele?« fragte Sarah kaum hörbar.
»Drei.«
»Wo?« »Zwei von ihnen kommen den Canyon herauf«, erklärte Case flüsternd.
»Wo ist der dritte?«
»Auf dem Weg in die Hölle.«
Sarah gab einen gedämpften Laut von sich.
»Er braucht dir nicht leid zu tun«, sagte Case leise. »Als ich ihn erwischte, war er gerade dabei, deine Jacke an dem Busch dort drüben mit einer ganzen Salve von Schüssen zu durchlöchern.«
Plötzlich war ihr Mund staubtrocken. »Hat er geglaubt, daß ich es wäre?«
»Es hat ihn offensichtlich nicht interessiert, wer es war - du, ich oder Conner.«
Die Vorstellung, wie ihr Bruder zwischen einem Herzschlag und dem nächsten erschossen wurde, veränderte Sarahs Ausdruck abrupt.
»Ich hoffe nur, der Kerl genießt die Hölle«, sagte sie mit leiser, haßerfüllter Stimme.
»Ich hoffe nicht.«
Die kühle Endgültigkeit, die in Cases Tonfall mitschwang, ließ ihr erneut einen Schauder über den Rücken rieseln.
»Und was tun wir jetzt?« flüsterte sie.
»Wir warten.«
»Worauf?«
»Auf das, was kommt. Was immer das sein
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