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Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)

Titel: Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Harris
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maßlos gespannt. Wie aufregend, als Voyeur von draußen nach drinnen zu spähen, in der Gewissheit, nicht bemerkt zu werden.
    Die Frau trat aufs Deck. Wenn sie allein ist, bewegt sie sich wie eine Tänzerin, mit fast lautlosen Schritten. Der Wind verfing sich in ihrem Gewand. Ihr Tanzpartner. Unter dem schwarzen Stoff blitzte plötzlich etwas Türkisfarbenes auf.
    Das überraschte mich, père. Ich hätte gedacht, dass sie ganz in Schwarz gekleidet ist, wie verkohltes Papier. Sie streckte die Arme nach oben, als könnte der Wind sie in die Lüfte heben. Dann griff sie sich an den Hinterkopf und löste die Bänder ihres Gesichtsschleiers –
    Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, père. Sie blickte zum Wasser. Der niqab, diese schwarze Fahne, flatterte zwischen ihren Fingern. Wenn sie sich doch umdrehen würde!
    Ich weiß, mon père. Ich kann mich nur damit entschuldigen, dass mir der Schwarze Autan den Kopf verdreht hat. Ich rief ihren Namen. Sie drehte sich um. Und dann hörte ich ein Geräusch hinter mir, und ein Tuch – vielleicht ein Mantel oder ein Schal – wurde mir über den Kopf gestülpt. Gleichzeitig wurde ich vorwärts gestoßen. Ich stolperte, fiel auf die Knie, das Gewicht meines Angreifers auf mir. Irgendetwas, vermutlich ein Arm, legte sich mir um den Hals. Ich wollte ihn abschütteln, ohne Erfolg. Ich bekam keine Luft mehr. Dunkle Chrysanthemen erschienen vor meinem geistigen Auge.
    Durch mittleren Druck auf die Karotisarterie kann man einen Menschen innerhalb von zehn Sekunden bewusstlos machen. Wenn der Druck nicht nachlässt, tritt innerhalb von einer Minute der Tod ein.
    Und jetzt kommt der Schwarze Autan: Kalt fegt er daher, gnadenlos. Der Wind ist in meinem Kopf und trägt mich davon in die Dunkelheit.
    Autan blanc, emporte le vent.
    Noch zwei Sekunden –
    und ich bin weg.

5

    Mittwoch, 25. August
    Es war schon Nachmittag, als wir aus dem Haus gingen, das lag nicht zuletzt an Rosette. Sie hatte mitgeholfen, die Trüffel herzustellen, also wollte sie auch bei der Auslieferung dabei sein. In ihren roten Gummistiefeln stapfte sie voraus, hüpfte in jede Pfütze und sang aus voller Kehle: »Bam bam BAM, bam badda-BAM!« Anouk und Alyssa blieben zu Hause, und ich versuchte, meine wirren Gedanken zu ordnen.
    Am liebsten hätte ich Roux angerufen. Aber ich ließ es bleiben. Er wird mir doch nichts Neues sagen. Und außerdem: Wenn meine Vermutung zutrifft, dann bin ich sowieso selbst an allem schuld. Nicht Roux. Auch Joséphine nicht. Meine Mutter hatte recht. Es entspricht mir nicht, mein Leben auf einen einzigen Mann auszurichten. Ich brauche Roux nicht, habe ihn noch nie gebraucht. Ich hätte mich gar nicht erst einmischen sollen.
    Der Wind lässt nach. Aber es regnet immer weiter, erbarmungslos. Heute ist der Regen warm, mild und lau wie Muttermilch. Ich denke an Inès Bencharki. Sonia und Alyssa glauben also, dass sie Karims Geliebte ist. Sieht Joséphine mich auch so? Als Skorpion, als Hexe, die ihr Leben vergiftet?
    Ich sollte am besten gleich heute abreisen, solange ich noch kann. Aber ist es nicht schon zu spät? Ich stecke bereits viel zu tief drin im Dorfleben von Les Marauds. Ich kann Alyssa nicht im Stich lassen, und das Problem Inès Bencharki verschwindet auch nicht von allein. Abgesehen davon habe ich Reynaud versprochen, ihm beizustehen, bis sein guter Ruf wiederhergestellt ist. Ich bin noch keine zwei Wochen hier, aber schon in ein halbes Dutzend Geheimnisse hineingezogen worden, von Du’as Versteck im Dachzimmer bis zu Omis Makronen während des Ramadan. So ist das eben in Lansquenet. Mit seinen schiefen kleinen Häuschen, deren Fassaden mit Kletterrosen bewachsen sind, wirkt es total harmlos. Doch das ist nur Tarnung, um die Ahnungslosen anzulocken. Wie der Sonnentau mit seinen klebrigen Tentakeln die Fliegen fängt, so zieht das Dorf mich an sich, hält mich fest und verwickelt mich in alle möglichen Geschichten.
    Pilou angelte von der Brücke, als ich nach Lansquenet hinüberging. Vlad war bei ihm. Beide waren total durchnässt, was sie überhaupt nicht zu stören schien. Sie waren so unbekümmert wie kleine Jungen und Hunde auf der ganzen Welt.
    »Ich habe Pralinen gemacht«, sagte ich. »Möchtest du eine probieren?«
    Pilou grinste. Er hat ein bezauberndes Lächeln, aber selbst mit meinem neuen Wissen gelang es mir nicht, irgendwas von Roux in ihm zu entdecken. Von seiner Mutter hat er die Augen und die rastlose Energie. Aber er ist nicht so unbeholfen wie sie, im Gegenteil

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