Himmlische Träume: Die Fortsetzung des Weltbestsellers "Chocolat" (German Edition)
hatte. Das Gesicht war von vielen Falten durchzogen. »Ich bin Mohammed Mahjoubi«, sagte er. »Sie kennen meine Enkelin.«
»Maya?«
Er nickte. »Yar. Sie ist das Kind meines jüngsten Sohnes, Ismail. Maya hat mir erzählt, dass Sie Pfirsiche für den Ramadan gebracht haben.«
Ich lachte. »Ganz so war es nicht. Aber ich begrüße meine Nachbarn immer gern.«
Er blinzelte amüsiert. »Wenn man bedenkt, mit wem Sie befreundet sind, ist das verwunderlich.«
»Meinen Sie Curé Reynaud?«
Der alte Mahjoubi zeigte die Zähne.
»Er ist kein schlechter Mensch, glauben Sie mir. Er ist nur ein bisschen …«
»Schwierig? Stur? Hölzern? Oder ist er einfach nur das arrogante Stück Unkraut, das sich auf einem Misthaufen niederlässt und dabei meint, es sei der Kaiser von China?«
Ich musste lachen. »Er ist gar nicht so schlimm, wenn man ihn näher kennt. Am Anfang, als ich nach Lansquenet gekommen bin …« Ich erzählte ihm eine gekürzte Version meiner Geschichte. Gewisse Details ließ ich aus, weil ich versprochen hatte, sie für mich zu behalten. Der alte Mahjoubi hörte genau zu, nickte immer wieder und lächelte aufmunternd, während Rosette das Ganze mit verschiedenen Huptönen und Pfiffen und Zeichen kommentierte.
»Und Sie sind ausgerechnet am Beginn Ihres Ramadan hergekommen, um ein Haus der Versuchung zu eröffnen? Kein Wunder, dass das zu Schwierigkeiten geführt hat«, sagte er. »Da bekomme ich schon fast Mitleid mit Ihrem curé.«
Mit gespielter Empörung rief ich: »Sind Sie etwa auf seiner Seite?«
Jetzt erschien auf dem Gesicht des alten Mahjoubi ein breites Grinsen. »Sie sind eine gefährliche Frau, Madame. Das spüre ich.«
Ich grinste ebenfalls. »Nebenbei bemerkt, sind Sie ja noch viel weiter gegangen, stimmt’s? Ich habe nur ein Pralinengeschäft eröffnet. Sie haben ein Minarett gebaut.«
Jetzt lachte er laut. »Sie haben also schon davon gehört. Ja, es hat eine Weile gedauert, aber wir haben es geschafft, Alhamdulillah. Und wir haben gegen keine der komplizierten Bauvorschriften verstoßen.« Er musterte mich fragend. »Das ärgert ihn, stimmt’s? Dass er den Ruf des Muezzins ganz in der Nähe seines eigenen Gotteshauses hören muss? Aber er läutet ja auch seine Glocken.«
»Ich mag beides«, sagte ich.
Das gefiel ihm. »Nicht alle Leute hier sind so tolerant. Selbst mein ältester Sohn, Saïd, fällt manchmal dieser Engstirnigkeit zum Opfer. Ich sage immer: Allah richtet. Wir können nur zuschauen und lernen. Und versuchen, uns am Klang der Glocken zu freuen, wenn wir schon nicht verhindern können, dass sie läuten.«
Ich lächelte wieder. »Das nächste Mal bringe ich Ihnen Pralinen mit. Ich habe auch Omi Al-Djerba schon welche versprochen.«
»Sie sollten Omi nicht zum Essen verführen«, sagte er, und seine Augen blitzten belustigt. »Sie vergisst sowieso schon dauernd, dass sie am Ramadan fasten muss. Ein bisschen Obst zählt nicht, sagt sie. Ein Schluck Tee zählt nicht. Ein halber Keks zählt nicht. Sie reitet den Esel des Teufels.«
»Ich habe schon mal so jemanden gekannt«, sagte ich und dachte an Armande.
»Ja, ja, die Menschen sind überall gleich. Ist das hier Ihre kleine Tochter?« Er schaute zu Rosette, die jetzt damit beschäftigt war, Kiesel in den Tannes zu werfen.
Ich nickte. »Das ist Rosette, meine Jüngere.«
»Kommen Sie doch mal bei uns vorbei, dann kann sie mit Maya spielen. Die Kleine hat keine Freundinnen in ihrem Alter. Nur Ihren Priester bringen Sie lieber nicht mit. Und geben Sie Maya keine Pralinen.«
Als ich weiterging in Richtung Lansquenet, ließ mich die Frage nicht los, wie ein so umgänglicher Mann sich dermaßen mit Francis Reynaud streiten konnte. Lag es an den kulturellen Unterschieden? War es ein banaler Territorialkonflikt? Oder gab es da noch etwas anderes, etwas Tiefergehendes?
Wir kamen zum Ende des Plankenwegs, der dann wieder in den Boulevard mündet. Dort sah ich am Ende einer kleinen Sackgasse eine rote Tür, darüber ein Schild, schwarze Buchstaben auf weißem Grund: CHEZ SAÏD . GYM .
Das musste Saïd Mahjoubi sein – der älteste Sohn von Mohammed Mahjoubi. Reynaud hatte mir von dem Fitness-Studio erzählt, das vor drei oder vier Jahren eröffnet worden war. Eine leere Lagerhalle, mit einfachsten Mitteln umgebaut. Durch die Tür, die ein Stück offen stand, konnte ich die Ergometer sehen, die Laufbänder, die Regale mit den Gewichten. Der Geruch von Chlor, Desinfektionsmittel und kif wehte zu mir herüber.
Die Tür
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