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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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wäre es Nachmittag und nicht kurz vor fünf Uhr morgens.
     
    Polonius Fischer war zum Fenster getreten. Er sah hinunter in den dunklen Innenhof und zum gegenüberliegenden Haus.
    In diesem Moment schaltete jemand im zweiten Stock Licht an. Die Vorhänge wurden zur Seite gezogen, und eine Gestalt erschien hinter der Scheibe.
    Auch auf die Entfernung erkannte Fischer die Frau sofort.
    Clarissa Weberknecht.
    Sie hatte ihn auch bemerkt und zeigte keine Reaktion. So verharrte sie, stumm hinter Glas im milchigen Licht, wie ausgestellt.
    Als Fischer sich umdrehte, begann Clarissa zu lächeln. Und als es drüben dunkel wurde, lächelte sie immer noch. Und als es an ihrer Tür klingelte, legte sie die linke Hand flach an das eiskalte Fenster und lehnte sich mit der Stirn dagegen.
    Und als es zum drittenmal klingelte, kehrte ihr Mut zurück.
    Sie ging zum niedrigen Schrank und küßte das Foto, das dort stand, und strich mit dem Zeigefinger über das Gesicht ihrer Freundin Dinah.
    Clarissa empfand tiefe Geborgenheit.

21 Die allgegenwärtige Nähe
    S o sieht man sich wieder«, sagte sie.
    »Sehen Sie mich?«
    »Brauche ich einen Anwalt, weil Sie so mit mir reden?«
    »Sie haben gelogen, Frau Weberknecht. Sie haben uns im Namen Ihres ermordeten Mannes angelogen.«
    »Im Namen meines ermordeten Mannes? Was soll das denn heißen?«
    »Sie haben seinen Tod für eine Lüge mißbraucht.«
    »Ich habe seinen Tod mißbraucht? Versuchen Sie gerade, mich auf die moralische Tour zu beleidigen?«
    »Nein«, sagte Polonius Fischer, »ich beleidige Sie nicht.«
    Sie drehte sich um. »Wenn Sie noch länger an der Tür stehen bleiben wollen, bitte. Ich bin im Wohnzimmer.«
    Fischer schloß die Tür hinter sich. Auf dem Weg durch den Flur achtete er auf nichts, er konzentrierte sich auf den toten Mann vom Oktoberfest. Später am Tag würde Fischer gemeinsam mit Schell die Wohnung genauer untersuchen und, wenn die Indizien ausreichten, auch mit den Kollegen der Spurensicherung.
    Unaufgefordert setzte er sich im Wohnzimmer auf die Couch, die denselben grünen Bezug hatte wie der Sessel, in dem Clarissa Weberknecht saß, mit übereinander geschlagenen Beinen, zurückgelehnt. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug mit unübersehbaren Falten und grauen Flecken. Ihre blonden, struppigen Haare hatte sie nachlässig hochgesteckt. Wenn sie sich bewegte, verströmte sie einen Geruch nach abgestandenem Rauch und parfümiertem Schweiß.
    »Wollen Sie Ihren Mantel nicht ausziehen?« sagte sie.
    »Erklären Sie mir den Grund Ihrer Lügen.«
    »Deswegen sind Sie hier? Um halb sechs in der Früh?«
    »Ja.«
    »Haben Sie gedacht, ich laufe weg?«
    »Wissen Sie, wo sich Bertold Gergorian aufhält?«
    Sie beugte sich nach vorn. »Sie haben Ihre Haare gefärbt! Sie sind eitel. Aber die schwarzen Haare passen natürlich zu Ihrem Charakterkopf besser als die grauen. Sie sehen jünger aus, sehr ansprechend, muß ich sagen. Sie haben tatsächlich meinen Rat befolgt.« Sie lehnte sich zurück. »Ich habe keine Ahnung, wo Herr Gregorian sich aufhält.«
    »Wieso soll ich Ihnen das glauben?«
    »Weil es die Wahrheit ist.«
    »Niemand lügt nur einmal.«
    Mit einem Ausruf spöttischer Anerkennung ließ sie sich gegen die Lehne des Sessels fallen. Sie klopfte mit beiden Händen auf die Lehne.
    Dunkler, härter, als Fischer sie in Erinnerung hatte, traten die Narben auf ihren Handrücken hervor.
    »Wie weise: Niemand lügt nur einmal.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Glauben Sie wirklich, ich bin so dumm und versuche, Sie jetzt auszutricksen?«
    »Zum Lügen ist niemand zu dumm.« Den Satz hatte Fischer schon oft gegenüber Zeugen oder Verdächtigen verwendet, und die Worte verfehlten selten ihre Wirkung.
    »Hören Sie auf, mich zu beleidigen. Ich ruf gleich meinen Anwalt an, verflucht. Ich bin müde, ich war vierzehn Stunden in der Arbeit, ich muß schlafen, weil ich nämlich heute um siebzehn Uhr meinen Laden wieder aufsperre. Ich muß Geld verdienen. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich kein Beamter, der jeden Monat pünktlich sein Gehalt überwiesen kriegt. Wenn Sie mit mir reden wollen, laden Sie mich vor, und dann bespreche ich die Sache mit meinem Anwalt. Gehen Sie jetzt. Sie sind widerrechtlich in meine Wohnung eingedrungen.«
    »Weshalb haben Sie abgestritten, Bertold Gregorian zu kennen?« fragte Fischer gleichmütig.
    »Was?« Sie holte Luft, um noch lauter zu sprechen. Dann besann sie sich, stieß Luft durch die Nase und blickte zum Foto auf dem Schrank. Sie

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