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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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lächelte. Innerhalb von Sekunden schien ihre Stimmung zu kippen.
    »Ach was«, sagte sie beinah munter. »Ich hab Sie doch nicht extra angelogen.« Aus ihrem Gesicht war schlagartig alle Müdigkeit verschwunden.
    Über diese Veränderung war Fischer so überrascht, daß er sich, wie sie, nach vorn beugte und, wie sie, die Arme auf die Oberschenkel legte und die Hände faltete.
    »Ja, stimmt. Hans hat diesen Max erwähnt, und er hat irgendeine Bemerkung fallen lassen, da hab ich plötzlich gedacht, so, wie der Hans den Mann beschreibt, das klingt ganz nach dem alten Bert. Aber das hab ich dann wieder vergessen. Ich hab den ewig nicht mehr gesehen, acht, neun Jahre mindestens.«
    »Acht, neun Jahre«, sagte Fischer. »Und nun wohnt er Ihnen gegenüber. Sie schauen doch aus dem Fenster, wie vorhin. Sie kennen Ihre Nachbarn, Sie haben Bertold Gregorian gesehen.«
    »Nein.«
    »Er hat Sie in Ihrem Club besucht.«
    »Das wüßte ich aber.«
    »Ihr Türsteher hat ihn gesehen.«
    »Der alte Mann, von dem Mika erzählt hat? Das soll Gregorian gewesen sein?«
    »Petrov ist sich sicher.«
    »Wie denn?«
    »Er hat Gregorian auf einem Foto wiedererkannt.«
    »Deswegen war Ihr Kollege heut nacht bei uns und hat so geheimnisvoll getan.«
    »Gregorian hat Sie verfolgt, er hat Sie beobachtet.«
    »Wann denn?«
    »Seit er hier eingezogen ist.«
    »Und wieso tut er so was Dämliches?«
    »Vielleicht begehrt er Sie.«
    »Das tun viele Männer, aber dazu brauchen sie mich nicht zu verfolgen. Es genügt, wenn sie in meinen Club kommen.«
    »Sie kennen Gregorian von früher, Frau Weberknecht, und ich will wissen, was zwischen Ihnen passiert ist.«
    »Nichts.«
    »Zu beweisen, daß Sie sich kennen, ist leicht«, sagte Fischer. »Morgen haben wir fünf Zeugen, die Ihre Bekanntschaft bestätigen werden. Was ist geschehen, daß Sie so reagieren? Versuchen Sie, mir eine Erklärung zu geben. So einfach oder so kompliziert, wie Sie möchten.«
    Auch Fischer war fähig, einen unbeschwerten Ton zu simulieren und sich unversehens in eine leichte Laune zu versetzen. Sein Mißtrauen gegenüber Clarissa Weberknecht nahm allmählich – eigentlich gegen seinen Willen und seine Strategie – staatssicherheitsdienstliche Ausmaße an.
     
    »In meinem Leben«, sagte Clarissa mit sanfter Stimme, »gab es immer wieder Männer, die die Grenze überschritten haben. Sie bildeten sich ein, Macht ausüben zu müssen. Vielleicht nicht Macht, eher eine feinere Form von Gewalt. Besitzansprüche. Diese Männer nahmen sich zuviel Nähe heraus. In unserem Beruf ist das normal, aber manche Männer können damit nicht umgehen, wenn wir sie zurechtweisen. Sie werden dann aufdringlich, tauchen jeden Tag auf, werfen mit Geld um sich, provozieren mit ihrem Verhalten andere Männer, ruinieren die Atmosphäre. Am Schlimmsten sind die Stillen.
    Sie reden wenig, sind nur da, bezahlen ordentlich, fordern nichts, sitzen an ihrem Platz, gehen sogar nach Hause, wenn man sie dazu auffordert. Aber natürlich kommen sie wieder. Und manchmal nehmen sie deine Hand und schauen dir in die Augen und sagen Sachen wie: Ich warte auf dich, ich habe ein Haus für uns, wenn es soweit ist für dich, bin ich da, wir haben keine Eile. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich zur Stelle. Schön. Sie wollen uns retten, sie halten die Welt, in der wir leben, für falsch, für ungesund, für verderblich. Warum kommen sie dann zu uns? Solche Männer, Herr Fischer, sind überheblich und ignorant, sie begreifen nicht, daß wir sie nur dulden, daß wir sie ertragen. Daß wir froh sind, wenn sie wieder weg sind.«
    Sie seufzte und lächelte den Kommissar an. »Das klingt vielleicht undankbar. Auch diese Männer sind unser Publikum, wir arbeiten für sie, wie ziehen uns für sie an, wie wir uns anziehen. Wir treiben unsere Spiele zu ihrem Gefallen.«
    »Gregorian«, sagte Fischer. »Er war einer der Stillen. Er wollte Ihnen helfen, er wollte Sie retten.«
    »Ich hatte eine schwere Zeit, und er war zufällig da.«
    »Die Zeit nach dem Tod Ihrer Freundin.«
    »Daran erinnern Sie sich?«
    »Ihre Geschichte steht in meinen Akten.«
    »Die Geschichte, die ich Ihnen erzählt habe.«
    »Wann haben Sie Gregorian zum letztenmal gesehen?«
    »Das haben Sie mich schon gefragt. Vor ewigen Zeiten.«
    »Vor acht oder neun Jahren?«
    »Möglich.« Sie streckte den Rücken. Die Lockerheit, die sie vorübergehend zugelassen hatte, stimmte sie im nachhinein mürrisch. »Sind wir fertig?«
    »Haben Sie ihm damals verboten, wieder in

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