Hinter deiner Tür - Aktionspreis (German Edition)
bequeme Kleidung und liefen erst einmal
drei Minuten langsam zu einer entspannenden Musik im Kreis.
Ich setzte einen Fuß vor den anderen und konzentrierte mich auf
die Melodie.
Eine Atemrunde folgte. Wir schlossen die Augen und
inhalierten tief in den Bauch. Meiner hob sich kurz und senkte
sich langsam wieder. Ein neues Gefühl. Ich saß bequem auf den
Fußsohlen und atmete abwechselnd mit dem linken und dem
rechten Nasenflügel. Die Schnaufgeräusche der anderen
Teilnehmer hörte ich bald nicht mehr. Mein Atem wurde
langsam ruhiger, gleichmäßiger, fließender, tiefer.
„Einatmen, Atem kurz anhalten, langsam ausatmen.
Einatmen, Atem anhalten ... Finger wechseln ... Wir wechseln
immer nach dem Einatmen. Jeder so gut er es kann. Nichts
erzwingen, gell?“
Anschließend waren Dehnübungen an der Reihe. Wir
legten uns auf den Rücken und hoben abwechselnd das rechte
und das linke Bein. Meine linke Nachbarin schnaufte laut. Ich
kam nicht sehr hoch mit dem Fuß, da zog es heftig in meiner
Hüfte. Ganz schön anstrengend, dieses Yoga! Danach gab es
wieder eine Entspannungsrunde zur Belohnung.
Ich musste mich sehr konzentrieren. Mein Atem ging zu
schnell, anhalten wollte er auch nicht. Erst mit der Zeit floss er
regelmäßiger durch meinen Körper. Die Gedanken im Kopf
schwirrten umher wie Blätter im Wind und legten sich langsam
nieder. „So praktizieren wir ein paar Runden, gell?“ Jan schien
so weit weg zu sein, als wäre er in Paris geblieben.
Im Anschluss streckte ich meine Beine hoch in die Luft.
Das Gebilde aus Beinen hätte eine Kerze sein sollen. Sie sah aus
wie der schiefe Turm von Pisa. Ich konnte mich einfach nicht
mehr so verbiegen wie früher. „Noch etwas höher. Achte darauf,
dass der Kopf ganz gerade liegt. Nicht zur Seite schauen. Ja, so
ist es gut.”
Beim Flug streikte ich, streckte alle Viere von mir. Mit
meinen Nackenverspannungen war die Übung zu schmerzhaft.
Hey, Bohnenstange, kannst du mal was richtig machen?
Oder sogar gut?
Süße, sei nicht undankbar! Du musst mit dem zufrieden
sein, was du bekommst.
„Bei der nächsten Übung verschlingen wir unsere
Gliedmaßen und verdrehen unsere Wirbelsäule zur Hälfte“,
erklärte Renate.
Bei ihr sah das sehr professionell aus. Bei den anderen
auch. Wie aber sollte ich mich mit so verknoteten Beinen
entspannen können? In meinem Bauch grummelte es plötzlich
verdächtig. Ich kniff meine Pobacken fest zusammen und
konzentrierte mich darauf, dass die Luft lautlos entwich. Puuuh,
Glück gehabt.
Mit der Zeit entspannte ich mich, meine Muskeln wurden
warm, lockerer, der Kopf leichter. Lastete nicht mehr so schwer
auf Schultern und Nacken.
„Diese Übung gibt Selbstvertrauen und innere Ruhe.“
Langsam machte das Ganze Spaß. Nach einer guten
Stunde beendeten wir die Übungen und legten uns auf die
Matten. Leider hatte ich keine Decke dabei und fröstelte leicht.
Wahrscheinlich zitterte ich zu laut, denn Thilo kam auf mich zu
und lieh mir seine.
Bei der abschließenden Fantasiereise wanderten wir
gemeinsam durch meinen Lieblingsort – einen Wald. Natürlich
nur in Gedanken. Mit der Zeit wurde meiner immer heller und
fröhlicher. Alle Probleme flogen mit den herabfallenden Blättern
einfach davon. Das Laub leuchtete in Gelb- und Rottönen. In mir
war es ganz ruhig. Ich fühlte mich in mir selbst geborgen. Welch
schönes Gefühl!
„Dann können wir noch unsere rechte Hand auf unser
Herz legen und uns ganz im Stillen bei Gott bedanken. Nehmt
die linke Hand zur rechten und kommt langsam wieder zu euch.“
Ein heller Ton erklang. Er ging durch Mark und Bein.
Meine Finger und Zehen bewegten sich wie von selbst. Ich
wollte lieber noch einmal in den Wald zurück.
„Wie hat es dir gefallen?“
Noch war ich nicht wach, schaute aber automatisch in die
Richtung, aus der die Stimme kam. Thilo. Ich gab ihm die Decke
zurück.
„Ganz gut. Danke für`s Ausleihen.“
„Kommst du noch mit in die Bar? Die anderen gehen nach
dem Kurs noch etwas trinken und haben gefragt, ob wir Neuen
mitkommen wollen.“
„Hm.“ Abwechslung konnte mir nicht schaden. „Okay.“
Bei einem Cocktail kamen wir ins Gespräch. Ich saß
zwischen Thilo und Renate. Das Restaurant befand sich ganz in
der Nähe des Studios und war hübsch eingerichtet. Die fünf
anderen Teilnehmer wirkten sympathisch.
„Ich hasse es, in eine Gruppe zu gehen, wenn alle fremd
sind. Bin da nicht so locker wie du!“, sagte
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