Hinter dem Horizont: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
dem Fels gehauenen Torbogen, der mit einem Gitter aus Betonstahl abgeriegelt war. Hinter der Barriere konnte man im spärlichen Licht der Stirnlampen nur ein kurzes Stück des quer verlaufenden Korridors erkennen.
»Der Platz kommt mir bekannt vor!«, flüsterte Migalytsch wie elektrisiert. »Das ist die obere Ebene des Kohleabbaus! An diesem Tor hat man uns doch vorbeigeführt! Gleich um die Ecke ist ein Wachkabuff und ein Stück weiter der Ausgang zur Aufzugsplattform des Hauptschachts!«
»Ohne Waffen kommen wir da nicht durch …«, dachte Taran laut nach. »Wenn sie uns entdecken …«
»Moment mal, Kommandeur«, unterbrach ihn der Alte. Sein rechtes Augenlid zuckte fieberhaft. »Ich war noch nicht fertig. Kannst du dich noch an den versteckten Winkel erinnern, wo man uns die Arbeitsklamotten ausgehändigt hat? Das war hier ganz in der Nähe! Und in der Wand gegenüber habe ich ein Abdeckblech gesehen, das weiß ich noch genau!«
»Von einem Lüftungsschacht?«, spekulierte der Stalker, während er mit einem Ohr Geräuschen von draußen lauschte.
»Möglich. Oder auch von einem Rohrleitungsschacht. Ist doch egal. Jedenfalls ist das unsere Chance! Jede Anlage muss gewartet werden, und deshalb kommt man durch diesen Schacht auch durch. Was für die Metro gilt, gilt auch für einen unterirdischen Atombunker. Ohne begehbare Wartungsschächte kannst du solche Tunnelsysteme nicht bauen!«
Taran nickte und schaute sich die Barriere genauer an.
»Tut mir leid, Dym, aber du musst wieder mal die Kohlen für uns aus dem Feuer holen … Schaffst du das?«
Anstatt zu antworten, trat Gennadi entschlossen an das Gitter heran. Als er zupackte, blähten sich seine Arm- und Rückenmuskeln zu Gebirgen auf, und an seiner grünlichen Haut traten dicke Venen hervor. Zunächst schien sich nichts zu rühren, doch dann rieselte von oben abblätternder Rost herab, und die mit einem Rahmen verschweißten Stäbe verbogen sich allmählich.
Nach einiger Zeit legte Gennadi eine Verschnaufpause ein. Der mächtige Brustkorb des Riesen hob und senkte sich wie ein riesiger Blasebalg. Doch trotz der enormen Anstrengung funkelten seine Augen vor Tatendrang.
»Ziemlich solide Konstruktion«, lobte er die unbekannten Baumeister. »Aber wir sind auch nicht aus Pappe gemacht.«
Aufs Neue packte er den schon leicht angebogenen Stab, stützte sich mit dem Fuß an der Wand ab, und riss mit voller Kraft daran. Kläglich knarzend gab der Stahl nach. Gennadi trat zurück und begutachtete sein Werk. Der Spalt zwischen den Stäben war so breit, dass sogar er mühelos hindurchpasste.
Kurz darauf schlich die ganze Mannschaft mit angehaltenem Atem durch den Korridor. Vom Hauptschacht schallten die Flüche der Aufseher herüber, die offenbar auch nicht wussten, wie es zur Überflutung der unteren Ebenen gekommen war. Dank des Durcheinanders gelang es den Flüchtenden, unbemerkt bis zu dem mutmaßlichen Lüftungsschacht zu gelangen.
»Genial, Migalytsch«, lobte Taran, als er in das staubige Einstiegsloch spähte. »Du hast wirklich ein gutes Auge. Genau das, was wir jetzt brauchen.«
Die kurze Kletterpartie durch den Lüftungsschacht artete zu einem Spießrutenlauf durch Myriaden von Spinnweben aus und endete an einem weiteren Abdeckblech. Nachdem die Abenteurer das Hindernis diskret beseitigt hatten, gelangten sie in den breiten Schacht eines Lastenaufzugs, der weit nach oben führte. Praktischerweise gab es hier auch eine Leiter, und die in der Wand eingemauerten Sprossen sahen durchaus belastbar aus.
»Ich glaub’s nicht, das ist doch …«, stammelte der Heide und schüttelte plötzlich den Kopf. »So einen Zufall gibt’s doch gar nicht … Ist euch klar, was das bedeutet?«
Gleb folgte dem Blick von Samuil Natanowitsch, und nun sah er es auch. An einer der rauen Betonwände konnte man unter der dicken Schimmelschicht gerade noch die schon bekannte Nummer »04« erkennen.
»Das bedeutet, dass wir fast draußen sind«, gab Taran die Antwort für den Arzt.
In der feuchten Grotte herrschten Finsternis und Stille. Eine Stille, die für diesen normalerweise recht belebten Ort außergewöhnlich war. Nirgendwo heulten die Motoren von Mannschaftstransportern, in den Reparaturboxen flackerten keine Schweißlichtbögen, und die stromlosen Brückenkräne waren zu leblosen Silhouetten erstarrt. Man hätte meinen können, dass die gigantische Halle schon eine Ewigkeit nicht mehr genutzt worden war.
Doch unter dem Deckengewölbe hallte das Echo
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