Hinter der Nacht (German Edition)
Menschen, die zufällig auch im Park waren, beschuldigen, ein
solches Verbrechen begangen zu haben! Das ist doch echt absurd! Da waren
Hunderte Menschen! Genau so gut könntest du auch behaupten – was weiß ich –
Jennyhätte dich entführt!“ Er sah mich vorwurfsvoll an.
Leider hatte er
das falsche Beispiel gewählt. Plötzlich sah ich rot. „Jenny, ja?“, fauchte ich
ihn an. „Interessant, dass du ausgerechnet die erwähnst! Wo sie doch so auf
dich steht. Aber wer weiß? Vielleicht hast du ja sogar recht? Immerhin wäre sie
mich dann los und hätte freie Bahn bei dir!“ Erst, als mir all das wie ein
Schwall herausgerutscht war, begann ich wieder zu denken. Aber da war es schon
zu spät.
Mike sah mich
mit einem extrem mitleidigen Blick an, und mir war klar, dass er mir nun kein
Wort mehr abnehmen würde. „Schon gut, Clarissa. Ich weiß, du stehst noch unter
Schock, und ich habe auch echt Verständnis. Aber du solltest es nicht
übertreiben. Du steigerst dich sonst in irgendwas rein!“ Er stand auf. „Ach,
und noch was – auch, wenn es dir schlecht geht – sei vorsichtig, wen du vor den
Kopf stößt.“
Ich blieb mit
einem sehr unbehaglichen Gefühl sitzen. Mike hatte ja recht, das war mir schon
klar. Ich hatte wirklich nicht so viele Freunde, dass ich es mir leisten
konnte, sie von mir zu weisen. Aber trotzdem – der Traum war so klar gewesen!
Ich war mir wirklich fast hundertprozentig sicher, dass es Patti und ihr Freund
gewesen sein mussten. Egal, was Mike sagte, und egal, wie vernünftig es klang.
Dann jedoch
überwältigte mich das Ungeheuerliche, und ich warf mich weinend in Mikes Arme.
„Warum nur? Warum? Oh, Mike, warum haben sie das getan?“
Wahrheit
Clarissa
An Schlaf war
nicht mehr zu denken, und so versuchten wir, zumindest diese Frage – Warum? -
zunächst mit Logik anzugehen, wobei ich das Thema Patti vorsichtig zu
umschiffen versuchte. Der einzige Anhaltspunkt, den ich, abgesehen von meinem
Traum, hatte, war schließlich, dass Patti zeitgleich mit Arik und mir
verschwunden war. Zugegeben, das war nicht viel. Nicht genug für Mike.
Ich versuchte,
mir alles, was sie (Patti oder wer auch immer) und ihr Komplize in jener Nacht
zu Arik gesagt hatten, ins Gedächtnis zu rufen. „Eins ist auf jeden Fall klar“,
stellte ich fest, „Arik kannte die beiden.“
Wider Erwarten
stimmte Mike mir sofort zu. Auf meinen überraschten Blick erklärte er: „Als du
entführt worden bist, direkt danach – da wollten wir die Polizei holen, Dad und
ich. Und da hat Arik erklärt, dass das nichts bringt. Er würde diese Typen
kennen, und er wüsste, was sie wollten – ihn.“
„Das haben sie
ja dann bekommen“, erwiderte ich bitter. „Weißt du, was das Schlimmste ist?
Dass er sich gar nicht gewehrt hat. Ich meine, er hat zwar versucht, mit ihnen
zu kämpfen, aber nur, um mich zu befreien. Gegen das, was sie ihm vorgeworfen haben, hat er sich überhaupt nicht zur Wehr gesetzt. Obwohl das
totaler Blödsinn war!“
„Was haben sie
denn gesagt?“, erkundigte Mike sich interessiert.
„Es war
unheimlich.“ Bei der Erinnerung lief mir ein Schauer den Rücken herunter. „Wie
eine Gerichtsverhandlung oder so. Klang wie … wie…“ Mir fehlten die Worte, um
meinen Eindruck richtig zu beschreiben. „…irgendwie mittelalterlich. Sie haben
von Geboten und so geredet. Und dass er dagegen verstoßen habe. Gegen Gottes Gebot. Und dass er deswegen sterben muss. Es war – wie bei der Inquisition.“
Endlich hatte ich ein passendes Wort gefunden. „Wie bei der Hexenverfolgung.“
Ich fing an zu
zittern, als alles wieder in mir hochkam. Wochenlang hatte ich jeden Gedanken
an diese schreckliche Nacht abgeblockt. Jetzt jedoch war es, als wäre ein Damm
gebrochen, und mir fielen mehr und mehr Einzelheiten ein. Der Hass, der aus
ihren Stimmen sprach, als sie mit ihm redeten. So, als wäre er das Schlimmste,
was ihnen je begegnet war. Dieser Hass wirkte umso furchtbarer, als er im
krassen Gegensatz zu dem heuchlerischen Bedauern stand, dass sie später
gezeigt hatte, als sie mit mir sprach. Um mich direkt danach kaltblütig ins
Wasser zu stürzen.
Mike ergriff
meine Hände, um mein Zittern zu stoppen, und ich klammerte mich an ihn, während
ich weiter sprach. „Diese – Frau… war irgendwie seltsam. Es schien ihr sogar
leid zu tun, dass ich da mit reingezogen wurde.“
„Klar“, höhnte
Mike, jetzt wieder ganz auf meiner Seite. „Und deshalb hat sie auch versucht,
dich
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