Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinter der Nacht (German Edition)

Hinter der Nacht (German Edition)

Titel: Hinter der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
Vom Netzwerk:
sich mal etwas so richtig in den Kopf gesetzt hatte, hatte er bisher
von mir noch immer bekommen, was er wollte. Ich war ihm einfach nicht
gewachsen. Daszumindest hatte sich nicht geändert. „Okay, dann komme
ich eben mit. Aber wenn es nicht klappt, gehe ich sofort wieder!“
    „Wirklich? Du
kommst mit? Super!“, strahlte er mich an. „Du wirst sehen, es klappt bestimmt!“
    Auch wenn ich da
ernsthafte Zweifel hatte, ließ ich mich von seiner Freude ein wenig anstecken.
Wenn Mike strahlte, war er einfach unwiderstehlich. Wir verabredeten uns nach
der letzten Stunde an den Spinden, wo meine Sporttasche seit Wochen unberührt
auf mich wartete.
    Insgeheim musste
ich allerdings zugeben, dass ich dem Training zumindest nicht völlig negativ gegenüberstand. Ich glaubte zwar immer noch nicht, dass es eine gute
Idee war, zu einer weiteren Veranstaltung zu gehen, die mich stärker als alles
andere an ihn erinnern würde, aber trotzdem merkte ich im Laufe des
Nachmittags, dass es durchaus auch einen Teil von mir gab, dem der Gedanke
daran, mich endlich mal wieder körperlich zu betätigen, gefiel. Ich musste auf
einmal daran denken, dass Karate immer das beste Mittel gewesen war, mich aus
einem Tief zu holen. Vielleicht war es ja doch keine so abwegige Idee von Mike,
es auch diesmal damit zu probieren?
     
    Nachdem wir
unsere Schulsachen gegen unsere Sporttaschen ausgetauscht hatten, machte ich
mich an Mikes Seite mit ziemlich gemischten Gefühlen auf den Weg zur Halle. Ich
war ähnlich nervös wie am ersten Schultag nach meiner Abwesenheit. Zum Glück
hielt Mike meine Hand fest in seiner, sonst hätte ich wahrscheinlich doch noch
die Flucht ergriffen.
    Wir waren spät
dran, und so blieb es mir erspart, mich schon vor dem Training den neugierigen
Blicken der anderen zu stellen. Die Mädchenumkleide war leer, und ich zog mich
im Rekordtempo um, um Patti, die bestimmt gleich erscheinen würde, nicht allein
ausgeliefert zu sein. Zu meiner Erleichterung erschien sie jedoch nicht, und
mein Glück hielt auch noch an, als ich die Halle betrat. Die anderen stellten
sich gerade zur Begrüßung auf, und ich huschte wortlos an meinen Platz am Kopf
der Reihe. Zwar wandten sich mir einige Köpfe zu, aber die Dojo -Disziplin
hielt sie davon ab, zu tuscheln oder mich gar mit Fragen zu belästigen. Jordan
tat so, als sei meine Anwesenheit völlig normal, und zuckte nicht mit der
Wimper. Auch Mike schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich einzureihen, und so
begann das Training völlig unspektakulär und routinemäßig.
    In der nächsten
Stunde entspannte ich mich zusehends, und schon nach kurzer Zeit war mir klar,
dass meine Bedenken zwar nicht völlig unbegründet, aber doch weit übertrieben
gewesen waren, und dass Mike wieder einmal Recht gehabt hatte. Das Training tat
mir total gut. Solange ich mich ganz auf meinen Körper konzentrierte und nur an
Technik, Kraft und Ausdauer dachte, war kein Platz in meinem Kopf für
Grübeleien. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich fast normal. Und
auch die anderen behandelten mich so wie immer. Es war unglaublich erholsam.
    Erst in der
kurzen Pause zur Hälfte des Trainings sprach Jordan mich an. „Sieht man dich
also auch mal wieder, Clarissa!“ Ich nickte nur, weil sich all meine
Abwehrmechanismen sofort wieder eingeschaltet hatten. „Und ich dachte schon, du
hättest nicht den Mumm, es allein mit all den Jungs aufzunehmen.“
    Dass er mich
nicht auf das befürchtete Thema ansprach, ließ mich wieder ein wenig
entspannen. „Wieso allein? Was ist denn mit Patti?“ Erst jetzt dachte ich wieder
daran, dass ich sie schon am Anfang vermisst hatte.
    „Patti?“,
erwiderte Jordan überrascht. „Ach, stimmt ja, das hast du ja gar nicht
mitgekriegt. Da warst du ja gerade…“ Er fing sich gerade noch rechtzeitig und
umschiffte die gefährliche Klippe haarscharf. „Patti ist nicht mehr da.“
    „Gar nicht
mehr?“, fragte ich erstaunt. Patti gehörte für mich einfach zum Karate dazu.
    „Nein, sie ist
weggezogen, kurz, nachdem du… irgendwann Anfang November“. Wieder kriegte er
gerade noch die Kurve.
    „Weggezogen?
Wohin?“
    „Keine Ahnung.
Kam scheinbar ganz plötzlich. Schade, aber vielleicht kommt ja irgendwann ein
anderes Mädchen.“
    Ich zuckte mit
den Schultern. Eigentlich war es mir egal. Wie alles. Das vorübergehende
Hochgefühl vom Training war wieder verschwunden.
     
    In der folgenden
Nacht hatte ich einen Alptraum. Nicht, dass das etwas Besonderes gewesen

Weitere Kostenlose Bücher