Hinter der Nacht (German Edition)
gefahren?“,
fragte ich entmutigt.
„Nein, das
glaube ich nicht. Es gibt doch keine andere größere Straße hier oben, und ich
habe wirklich die Augen offengehalten. Wir werden sie schon noch finden!“
Ich war
einigermaßen getröstet. Mike besorgte vom Motorrad die Verpflegung, die wir in
weiser Voraussicht mitgenommen hatten, während ich die Straße im Auge behielt,
und dann stärkten wir uns erst einmal. Nach einer halben Stunde fühlten sich
meine Beine schon fast wieder brauchbar an.
„Und, was meinst
du?“, fragte Mike, nachdem auch er seinen letzten Bissen heruntergeschluckt
hatte. „Sollen wir unsere Mission fortsetzen oder suchen wir uns noch mal ein
Hotel?“
„Fortsetzen!“,
entschied ich, auch wenn all meine Muskeln protestierten. Aber den Gedanken,
diesen Platz unverrichteter Dinge wieder verlassen zu müssen und morgen dann
von vorn anzufangen, fand ich noch viel unerträglicher. Dann lieber laufen,
solange es noch irgendwie ging. Wir verstauten die kaum noch vorhandenen Reste
unseres Mahls am Motorrad und starteten unsere Wanderung erneut.
Mit jedem
weiteren Schritt stieg meine Spannung. Wenn wir tatsächlich recht hatten und
sie hier vorbei kamen, dann konnte es nun nicht mehr lange dauern. Aber - würde unsere Rechnung aufgehen? Würde ich mich gleich selbst auf der Straße
vorbeifahren sehen? Und vor allem – würden wir Arik finden? Solange er noch
lebte? Und würden wir es schaffen, ihn abzufangen, bevor sie es taten?
Die Gehminuten
verstrichen und dehnten sich zu Ewigkeiten. Ich konnte überhaupt nichts hören,
so laut klopfte inzwischen mein Herz. Schließlich, nach einigen weiteren
Nächten – allmählich verlor ich den Überblick – sah ich zum x-ten Mal, wie eine
morgendliche Sonne, die sich in unserem Rücken im Osten langsam über den
Horizont schob, die Straße vor uns rosig anhauchte. Es war ein ungewöhnlich
hübscher Anblick, wie man ihn im regnerischen Schottland nicht oft sah. Aber
ich bemerkte nichts von dieser Schönheit. All meine Sinne konzentrierten sich
allein auf mögliche Fahrzeuge auf dem Asphaltband vor mir, die allerdings zu
dieser frühen Morgenstunde noch nicht vorhanden waren. Die Sonne stieg schnell
höher, aber weiterhin blieb die Straße leer. Ich spürte, dass ich nicht mehr
lange durchhalten würde. Meine Füße waren bleischwer.
Plötzlich blieb
Mike stehen. Er schien auf etwas zu lauschen. Auf das Brummen eines Motorrads?
Auch ich hielt den Atem an, um besser hören zu können, doch außer meinem wild
schlagenden Herzen war da nichts. „Mike! Hörst du was?“, zischte ich und
verrenkte mir fast den Hals, um einen besseren Blick auf die Straße zu haben.
„Psst!“, zischte
er zurück. Auch er suchte mit den Augen die Straße Richtung Westen ab.
Offensichtlich hatte er bessere Augen als ich, denn auf einmal raunte er: „Da!
Ein Motorrad mit Beiwagen! Das müssen sie sein!“
„Wo?“ Ich sah
und hörte immer noch nichts.
Da – urplötzlich
schoss wie aus dem Nichts ein schwarzes Motorrad mit einem schmalen Wagen
daneben auf uns zu. Wo war es so plötzlich hergekommen? Wieso hatte ich vorher
nichts davon bemerkt? Doch bevor ich noch darüber nachdenken konnte, verschwand
es auch schon wieder und löste sich vor meinen Augen in Nichts auf.
Erst jetzt wurde
mir klar, woran ich auch schon früher hätte denken können. Da sie ja durch Raum
undZeit reisten, war es logisch, dass ich sie erst in dem Moment
bemerken konnte, als sie genau bei mir waren. Mike dagegen mit seinen
speziellen Sinnen hatte sie natürlich schon vorher gehört und gesehen.
„War ich drin?
Hast du mich gesehen?“, fragte ich ihn aufgeregt. Ich hatte außer dem Motorrad
auf die Schnelle gar nichts bemerkt.
„Später!“,
drängte Mike. „Los, wir müssen uns beeilen! Sonst verpassen wir ihn noch!“
Ich zuckte
zusammen, wie vom Blitz getroffen. Arik! Jeden Moment konnte er ebenfalls dort
vorbeirasen! Wie eine Verrückte schlug ich mich durch die Büsche auf direktem
Weg zur Straße. Dass mir die Äste dabei das Gesicht zerkratzten, bemerkte ich
nicht.
Doch Arik kam
nicht.
Wir warteten
endlos, und vereinzelt fuhren Fahrzeuge an uns vorbei, aber er war nicht unter
ihnen. Schließlich gingen wir noch einmal zurück, sahen sie nochmals
vorbeizischen, Mike durchsuchte alle erdenklichen Richtungen – ohne Ergebnis.
Keine Spur von Arik. Er war und blieb verschwunden.
Ich war maßlos
enttäuscht. „Warum kommt er nicht?“ Meine Stimme klang anklagend, so, als
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