Hinter der Nacht (German Edition)
quer auf der
Straße stehen. Mit Mühe und Not schaffte ich es, mich so an Mike
festzuklammern, dass ich nicht in hohem Bogen von meinem Sitz
herunterkatapultiert wurde. Bis ich den Schreck überwunden und mein rasender
Puls sich so weit beruhigt hatte, dass ich wieder ansatzweise zusammenhängend
denken konnte, verging eine geraume Weile.
„Mike! Was ist
los?“, japste ich dann. „Warum halten wir an?“
„Sie sind dort
abgebogen“, erwiderte Mike und zeigte auf eine kleine Nebenstraße, kaum mehr
als ein Feldweg, ein Stück hinter uns, die in der gerade einsetzenden und rasch
zunehmenden abendlichen Dämmerung nur schwer auszumachen war. „Fast wäre ich
ihnen hinten rein gefahren!“
Erschrocken
fragte ich: „Haben sie uns gesehen?“
„Ich glaube
nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Sonst wären sie sicherlich schon wieder hier,
oder?“
Mir lief ein
Schauer den Rücken hinunter. Dann jedoch begann mein Herz aufgeregt zu klopfen.
Wir näherten uns dem Ziel!
„Meinst du, du
findest den Pfad zu den Klippen im Dunkeln?“, erkundigte sich Mike.
Ich nickte.
„Doch. Von der Seitenstraße war es nicht mehr weit.“
„Gut.“ Mike
nickte. „Dann sollten wir die Maschine von hier aus schieben, damit sie uns
nicht hören, und sie dann irgendwo verstecken.“
Ich schwang mein
Bein über das Motorrad und stieg ab. Mike tat es mir gleich. Wir nahmen die
Helme ab, die ich trug, während er das Motorrad schob.
Schon nach
einigen hundert Metern wurde der Weg zu einem schmalen Pfad, der sich in
Richtung Küste schlängelte.
„Da ist es.“
Mike folgte
meinem Blick. „Okay. Dann lass uns nach einem Versteck suchen.“
Ich blieb
stehen, während er das Motorrad vorsichtig ins Gebüsch manövrierte.
Kurz darauf
hörte ich ihn jedoch leise rufen. „Clarissa! Komm mal her!“ Seine Stimme klang
aufgeregt, und sofort beschleunigte sich mein Herzschlag.
„Schau mal!“ Mit
ausgestrecktem Arm zeigte Mike auf eine dunkle Masse an einem Strauch in
einiger Entfernung. Dort stand ein weiteres Motorrad, nur notdürftig versteckt.
Und es hatte einen Beiwagen neben sich.
Ich stürzte hin.
„Das ist ihrs! Von hier aus müssen sie mich getragen haben. Jetzt kann es nicht
mehr weit sein!“
„Dann sollten
wir von jetzt an besonders vorsichtig sein!“
Ich nickte. Dann
drängte ich: „Wir müssen uns beeilen! Wir müssen da sein, bevor er sie
angreift!“
Mike zögerte
dennoch. „Clarissa!“, flüsterte er. Ich hörte die Vorsicht in seiner Stimme.
„Nur, weil sie noch nicht unten sind, heißt das nicht, dass er… du weißt
schon.“
„Dass er noch
lebt?“, fauchte ich ihn an, zu laut. Schnell senkte ich die Stimme, knurrte
jedoch weiter: „Natürlich lebt er noch! Aber wenn wir hier weiter rumtrödeln,
vielleicht nicht mehr lange! Also lass uns endlich losgehen!“ Ich schmiss die
Helme achtlos auf den Boden und zerrte eins der Messer aus dem Rucksack. Dann
drehte ich mich auf dem Absatz um und marschierte los, ohne mich nach Mike
umzuschauen. Aber am Knacken der Äste hörte ich, dass er sich hinter mir durch
das Gebüsch schlug. Natürlich ließ er mich nicht allein.
Mein Herz schlug
bis zum Hals, während wir uns voranpirschten. Ich wusste nicht, was stärker
war: die Angst vor dem bevorstehenden Kampf oder die Angst vor dem, was ich
gleich zu sehen bekäme. Auch Mikes Haltung spiegelte seine Nervosität.
Wahrscheinlich war es reiner Selbstmord, was wir vorhatten. Weder Mike noch ich
waren Kämpfer, auch wenn ich jahrelang Karate trainiert und es immerhin bis zum
Braungurt gebracht hatte. Aber das war Sport. Noch nie hatte ich gegen jemanden
kämpfen müssen, der es ernst meinte. Todernst. Und Mike war, trotz seines
fleißigen Trainings, immer noch kaum mehr als ein blutiger Anfänger. Auch, dass
ich zumindest gegen einen unserer Gegner schon oft gekämpft hatte, beruhigte
mich nicht. Patti hatte wohl kaum ihr wahres Können offenbart. Und ihr Partner
war völlig uneinschätzbar. Hinzu kam, dass die beiden Fähigkeiten hatten, die
meine bei weitem überschritten, und ich hatte nur eine vage Vorstellung davon,
wie das einen Kampf zu ihren Gunsten beeinflussen konnte. Mike hatte zwar die
gleiche Gabe, aber auch in ihrem Gebrauch war er nur ein Anfänger. Wer weiß, zu
was zwei geübte Zeitspringer alles in der Lage waren?
Plötzlich packte
Mike mich von hinten an meiner Jacke und hielt mich fest. Vor Schreck über die
unerwartete Berührung hätte ich fast aufgeschrien, aber Mike zischte mir
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