Hinter der Nacht (German Edition)
getan?“
Clarissa
Arik ging voran,
und ich folgte mit Mike. Allein hätte ich keinen Schritt tun können, denn ich
war völlig fertig. Der Moment, als mir klar wurde, dass Arik gerettet war – Dass
er lebte, dass er tatsächlich wieder da war, direkt vor mir, zum Greifen nah! – hätte der schönste meines Lebens sein sollen, doch stattdessen konnte ich an
nichts anderes denken als daran, dass ich einen Mord begangen hatte.
Mike, der sich
die Geschichte von Arik in der Kurzversion hatte erzählen lassen, versicherte
mir zwar ununterbrochen, dass ich aus reiner Notwehr gehandelt hätte, und dass
mich jedes Gericht der Welt freisprechen würde, denn ohne mein Eingreifen wären
wir vermutlich jetzt alle tot, und wenn nicht alle, dann aber zumindest Arik…
Aber damit erreichte er genau das Gegenteil: Denn das war es ja gerade, was mir
auf der Seele brannte und was mich so schuldig machte. Nicht etwa, dass ich
Nathanael getötet hatte – sondern dass ich es jederzeit wieder tun würde, wenn
Ariks Leben davon abhinge. Oder Mikes. Und von dieser Schuld konnte mich
niemand freisprechen.
Und während
einerseits diese Gewissheit auf mir lastete wie ein riesiger Stein, der mein
Herz bis auf den Grund meiner Seele hinunterzog, ließ eine andere Gewissheit es
gleichzeitig immer wieder hochsteigen wie einen Ballon. Er lebt - er lebt –
er lebt! Am liebsten hätte ich es hinausgeschrien. Das Gefühl war
unglaublich, absolut überwältigend.
Es war fast
unmöglich, diesen Gefühlswirrwarr für mich zu behalten, aber Arik hatte recht –
zuerst gab es Dringlicheres zu tun.
Mike hatte
inzwischen angefangen, unübersehbar zu zittern, was mich schlagartig daran
erinnerte, dass er einen Sturz ins Meer hinter sich hatte und deswegen
klitschnass war und wir es Anfang Dezember hatten – wenn er noch lange in
dieser Eiseskälte herumstände, würde er sich wahrscheinlich doch noch den Tod
holen. Und erst jetzt fiel mir wieder ein, dass er ja auch angegriffen worden
war.
„Was ist
eigentlich mit deinem Arm?“, fragte ich ihn.
Er sah mich
überrascht an, und ich zeigte auf die Stelle, an der ihn das Messer getroffen
hatte. Er folgte meinem Blick und fasste die Stelle dann an. „Oh. Autsch.“ Er
klang erstaunt. „Das hatte ich völlig vergessen. Wahrscheinlich hat die Kälte
alles betäubt.“
„Du musst sofort
raus aus diesen nassen Klamotten, und wir müssen uns um deine Wunde kümmern!“,
forderte ich energisch. Es tat mir gut, mich um ihn kümmern zu können. Lenkte
mich von anderen Gedanken ab.
„Hab nichts
dagegen“, murmelte Mike. Seine Zähne begannen zu klappern. „A…aber was ist denn
mit P…P…Patti??“
„Darum kümmere
ich mich“, ließ Arik sich zum ersten Mal vernehmen. Seine Stimme klang rau.
Dankbar sah ich
ihn an, während ich versuchte, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Bist du
sicher, dass du das allein schaffst?“
Er erwiderte
meinen Blick nicht, knurrte aber: „Klar. Kein Problem. Kümmere du dich um ihn.“
Ein Stein fiel
mir vom Herzen. Um nichts in der Welt hätte ich jetzt zu dem Felsvorsprung
zurückkehren mögen, wo Nathanael… Schon der Gedanke, ihn noch einmal sehen zu
müssen, weckte alle möglichen Horrorvorstellungen in mir. Und Alpträume würde
ich auch so schon genügend kriegen. (Nicht, dass das was Neues wäre…)
Wir gingen
gemeinsam den Pfad zurück, wobei Mike und ich uns gegenseitig stützten. Als wir
auf Höhe des Vorsprungs waren, bog Arik wortlos ab. Der Anblick, wie er sich
anschickte, allein in der Dunkelheit zu verschwinden, machte mich plötzlich
unruhig. „Arik!“
„Ja?“ Er wandte
sich nur halb um, hielt aber inne.
„Du – kommst
doch zurück, oder?“ Auf einmal hatte mich die Angst gepackt. Ich musste einfach
sicher sein. Sonst würde ich ihn nicht gehen lassen.
Er sah mich mit
einem undeutbaren Ausdruck in seinen dunklen Augen an. Mir wurden die Knie
weich. Dann endlich antwortete er: „Ja.“
„Versprichst
du’s?“
„JA!“, knurrte
er. Und dann drehte er endgültig ab und verschwand über die Felskante.
Mike und ich
stolperten mit schwindenden Kräften zurück zu der Stelle, wo wir das Motorrad
versteckt hatten, und er zog ein paar trockene Klamotten aus dem Rucksack.
Nachdem er sich hinter einem Busch umgezogen hatte, verband ich notdürftig
seinen Arm. Zum Glück sah die Wunde nicht allzu tief aus, aber trotzdem sollte
er sie so bald wie möglich einem Arzt zeigen.
Kaum waren wir
fertig, als wir auch schon
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