Hinter der Nacht (German Edition)
blickte ich zum Parkplatz. Wer wohl dieser frühe
Ankömmling war? Nach Mikes Panda hörte es sich jedenfalls nicht an. Das Brummen
wurde stärker und verwandelte sich in ein lautes, dumpfes Röhren. Jetzt kam
auch das dazugehörige Fahrzeug in Sicht. Ich hatte recht gehabt. Es war nicht
Mikes Panda. Es war überhaupt kein Auto. Sondern ein Motorrad. Ein schwarzes
Motorrad.
Ausnahmsweise
störte es mich nicht, Arik zu sehen. Denn dass er das war dort unten, stand für
mich außer Frage. Der Anblick dieser Maschine hatte sich in mein Gedächtnis
gebrannt. Aber hier oben war ich vor einer unerwarteten und unerwünschten
Begegnung mit ihm sicher, denn ich hatte ihn gut im Blick, während er mich beim
besten Willen nicht sehen konnte.
Ich beobachtete,
wie er die schwarz glänzende Maschine flott (aber längst nicht so
halsbrecherisch wie Mike mit seinem Kamikazestil) über den noch leeren
Parkplatz lenkte und dann ganz in der Nähe der Stelle, an der ich vor nur
wenigen Stunden mit Mike gestanden hatte (Stopp! Nicht dran denken!) ,
anhielt. Er schwang sich lässig vom Sitz des Motorrads, stellte es ab und zog
sich dann mit Schwung seinen Helm vom Kopf. Seine Haare, die durch den Helm eng
am Kopf anlagen, glänzten in der Sonne wie schwarze Tusche. Er schüttelte sie
kurz und fuhr dann mit seinen Fingern hindurch, so dass sie nicht mehr so
gelackt aussahen. Sein ganzer Auftritt gab ihm etwas Verwegenes, und vor dem
Hintergrund der langsam höher steigenden Sonne wirkte er viel weniger finster
als sonst. Auch von seiner üblichen Arroganz sah man nichts, aber
wahrscheinlich lag das nur an der Entfernung. Seine Augen waren bestimmt so
düster wie immer. Aber wie er da so allein auf dem Parkplatz stand und sich
offensichtlich ganz unbeobachtet fühlte, wirkte er längst nicht mehr so
abschreckend. Ich fragte mich plötzlich, ob er wirklich so glücklich mit seiner
Rolle als einsamer Wolf war, wie alle glaubten. Ich wusste schließlich, wie es
war, wenn man „anders“ war und nirgendwo so richtig dazugehörte. Es brachte
einen dazu, eine Mauer um sich herum aufzubauen und alle Welt glauben zu
machen, dass man sich innerhalb dieses Gefängnisses ganz wohl fühlte. In
Wahrheit dagegen war sie reiner Selbstschutz. Das Problem war nur, dass es
immer schwerer wurde, sie selbst noch zu überwinden, wenn sie höher wurde.
Ich war so in
meine Überlegungen vertieft, dass ich den Parkplatz einen Augenblick lang aus
den Augen gelassen hatte. Bestimmt nicht länger als ein paar Sekunden, doch als
ich wieder hinschaute, war Arik weg. Einfach verschwunden, als hätte er sich in
Luft aufgelöst. Verdutzt suchte ich den Weg von seinem Motorrad bis zur Schule
mit meinen Augen ab, doch er war nirgends zu sehen. Ich war irritiert. Er
mussteda sein. So schnell konnte er unmöglich den Weg bis zum Gebäude
zurückgelegt haben. Und es gab auch keine Verstecke, hinter denen er hätte
verschwinden können. Der gesamte Platz lag offen in der Morgensonne vor mir.
Auch sein Motorrad stand da, wo er eben noch die Haare geschüttelt hatte. Ich
rieb mir die Augen und schaute noch einmal hin. Aber Arik blieb verschwunden.
Und dann tauchte
er auf einmal ebenso unvermittelt, wie er von der Bildfläche verschwunden war,
wieder auf. Ich hatte meine Verblüffung über sein seltsames Verschwinden gerade
einigermaßen überwunden und beschlossen, mich langsam auf den Weg in die Aula
zu machen, ohne weiter auf Mikes Ankunft zu warten, und warf noch einen letzten
Blick auf das schwarze Motorrad, das einsam auf dem Parkplatz wartete. Dachte
ich. Nur, dass es nicht mehr einsam war. Neben ihm, als sei er nie weggewesen,
stand Arik und fuhr sich mit der Hand durch seine Haare.
Ich traute
meinen Augen nicht. Doch dann bemerkte ich etwas, was mir auf den ersten Blick
nicht aufgefallen war. Es war aus der Ferne auch kaum zu erkennen. Ich hätte es
bestimmt übersehen, wenn ich ihn nicht so entgeistert angestarrt hätte.
Er war
klitschnass. Seine Haare tropften, sein Gesicht glänzte, als wäre er durch
einen heftigen Regenschauer gelaufen, und die Jeans, die er trug, war dunkel
vor Nässe. Warum trug er überhaupt eine Jeans? Wieso keine Uniform? Erst jetzt
fiel mir auf, wie unpassend das war, so kurz vor Schulbeginn. Aber viel mehr
als das beschäftigte mich die Frage, wieso der ganze Kerl von Kopf bis Fuß
tropfte. Immerhin hatte es seit heute morgen um fünf, als ich wach geworden
war, keinen Tropfen geregnet. Und ich war mir fast sicher, dass er vorhin,
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