Hinter der Nacht (German Edition)
so schnell sauste ich sie jetzt
wieder herunter. Erst, als sich die Haustür schon längst hinter mir geschlossen
hatte und ich mich außer Sichtweite des Hauses befand, blieb ich schwer atmend
stehen. Eins war sicher: hierher brachten mich keine zehn Pferde so bald
zurück.
Arik
Von innen höre
ich, wie die Papiere dumpf auf den Boden prallen, und bleibe bewegungslos
stehen. Fast reiße ich die Tür auf, um zu sehen, wer der Überbringer ist, aber
ich kann mich gerade noch zurückhalten. So, in voller Montur, sollte ich mich
vielleicht besser nicht blicken lassen. Also warte ich, bis ich Schritte höre,
die sich entfernen. Dann öffne ich vorsichtig die Tür – doch nicht vorsichtig
genug. Ich habe vergessen, dass sie ziemlich quietscht, wie alles hier in
dieser Bruchbude. Augenblicklich verstummt das Schrittgeräusch auf der Treppe.
Jemand lauscht. Auch ich halte den Atem an. Wird, wer auch immer das dort unten
ist, wieder hochkommen?
Einige Momente
herrscht atemlose Stille. Dann ertönen auf einmal wieder Schritte, deutlich
schneller als zuvor. Sie werden leiser.
Ich renne in die
Wohnung zurück und ans Küchenfenster, das nach vorne raus geht. Nach etwa einer
halben Minute öffnet sich unten die Haustür, und eine Gestalt stürmt heraus,
als wäre der Teufel hinter ihr her. Ich traue meinen Augen nicht, als ich die
schwarzen Haare erkenne. Kein Zweifel, meine geheimnisvolle Besucherin war
Clarissa. Nur - was ausgerechnet sie bewogen hat, hierher zu kommen, ist mir
wirklich schleierhaft. Mit ihr hätte ich zuallerletzt gerechnet.
Schock
Clarissa
Der Samstag
begann grau in grau. Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster sah ich nichts
als dichten, wabernden Nebel, und am liebsten wäre ich einfach im Bett liegen
geblieben. Nur das Bewusstsein, dass sich meine Gedanken dann wieder endlos im
Kreis drehen würden, trieb mich raus.
Nach dem
Frühstück widmete ich mich zunächst der liegengebliebenen Hausarbeit. Weder
Mike noch ich waren in dieser Hinsicht besonders fleißig, und meistens
stapelten wir einfach das Geschirr in der Spüle, bis nichts mehr im Schrank
war, um uns dann stöhnend dem Berg aus angekrustetem Dreck zu stellen. Danach
hatten wir dann wieder einige Tage Ruhe. Auch Bad putzen oder Böden säubern
waren eher sporadische Beschäftigungen, die wir am liebsten vor uns her
schoben. Ich hoffte nur, dass Mikes Vater nicht plötzlich unangekündigt vor der
Tür stehen würde, denn sonst würde ihn garantiert der Schlag treffen angesichts
unseres Lotterlebens. (Zumindest würde meine Mutter mit Sicherheit so
reagieren, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich besuchte, tendierte gegen
minus zehn. In dem gut einen Monat, den ich inzwischen hier war, hatte sie mich
gerade zwei Mal angerufen, und besonders innig waren diese beiden Telefonate
nicht gerade gewesen.)
Nachdem das Haus
wieder auf Vordermann gebracht war, dachte ich über meine Alternativen für den
Rest des Tages nach. Die ganze Zeit hier herumzuhocken und Trübsal zu blasen,
war jedenfalls nicht verlockend. Und nach der vertiefenden Lektüre der
heimischen Privatbibliothek stand mir nach meinem unheimlichen Traum, den dies
das letzte Mal hervorgerufen hatte, auch nicht der Sinn. Also entschloss ich
mich schließlich, mal wieder in die Innenstadt zu fahren und dort ein paar
hoffentlich entspanntere Stunden zu verbringen.
Den Vormittag
vertrödelte ich in diversen Geschäften, und mittags fand ich einen McDonalds,
der in mir seltsam nostalgische Heimatgefühle weckte. Als ich anschließend mit
mir zu Rate ging, was ich nun noch mit meiner Zeit anfangen konnte, entdeckte
ich, dass ich direkt vor der Stadtbücherei stand. Das war die Gelegenheit, mich
endlich mit passender Lektüre einzudecken. Nachdem ich mir einen Leseausweis
besorgt hatte, versank ich kurz darauf in Bergen von Büchern und war für die
nächsten Stunden nicht ansprechbar. Als mein Rucksack gut gefüllt und um einige
Kilos schwerer als vorher an meiner Schulter hing, beschloss ich schließlich,
dass ich mich nun genug abgelenkt hatte und hoffentlich gefahrlos den Heimweg
antreten konnte.
Trotz meines
relativ erfolgreichen Ablenkungsmanövers am Samstag dehnte sich der Sonntag wie
eine endlose monotone Straße vor mir aus. Mike war nirgendwo aufzufinden, und
ich hatte zu nichts Lust. Eine Neuauflage des Hausputzes war selbst nach den
Maßstäben meiner sauberkeitsliebenden Mutter beim besten Willen nicht nötig.
Ich dachte kurz an die Bücher, die
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