Hinter der Nacht (German Edition)
Danke, danke, DANKE!“
„Hm-hm.“
Das Räuspern,
das plötzlich neben mir ertönte, versetzte mir einen zweiten Schlag in den
Magen. Ich fuhr zusammen.
„Alles in
Ordnung mit dir?“
Der leicht
heisere Klang seiner Stimme ließ meine mühsam zurück gewonnene Fassung wieder
zusammenbrechen.
„Ich… ich…“
Mehr als ein
hilfloses Stammeln brachte ich nicht heraus. Verzweifelt versuchte ich, einen
zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Aber in meinem Kopf (und auch sonst
überall) tobte alles wild durcheinander.
Als ich keine
Anstalten machte, ihm zu antworten, fuhr Arik mit unterdrückter Stimme fort:
„Stimmt was nicht mit dir?“
Er sah mich mit
zusammengezogenen Augenbrauen an, aber hinter diesem düsteren Schleier schien
noch irgendetwas anderes zu lauern. Etwas, das ich im Zusammenhang mit ihm
überhaupt nicht einordnen konnte.
Endlich platzte
der Knoten in mir und meine Stimme funktionierte wieder, wenn sie auch immer
noch wie die einer Fremden klang. „Ob etwas mit mir nicht stimmt? Wer
ist denn wochenlang verschwunden, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen?“
Zornig funkelte ich ihn an.
Arik zog die
Augenbrauen hoch. „Ich war – krank“, antwortete er mit reservierter Stimme.
„Ach ja?“,
zischte ich. „Und wieso hat dann niemand die Tür geöffnet, als ich deine
Hausaufgaben vorbeigebracht habe?“
„Du warst das?“
Irgendetwas an seiner Stimme klang unecht. Ich war mir auf einmal sicher, dass
er das schon gewusst hatte und nur den Überraschten spielte. „Das hättest du
dir sparen können.“
„Ha!“, schnaubte
ich. Das war ja mal wieder typisch. Wenigstens Danke hätte er sagen können. Ich
merkte, wie die altbekannte Wut wieder in mir hoch kochte und verstand
schlagartig überhaupt nicht mehr, wie ich mir um ihn hatte Sorgen machen
können. So ein undankbarer, blöder, egoistischer Idiot! Mann! Nie wieder würde
ich auch nur einen einzigen Gedanken an ihn verschwenden!
Längere Zeit
herrschte Stille, und ich versuchte mit aller mir zur Verfügung stehenden
Willenskraft (was leider nicht sehr viel war), meinen Nachbarn aus meinen
Gedanken zu verbannen und mich ganz auf den Unterricht zu konzentrieren.
Genauso gut
hätte ich versuchen können, ein glühendes Feuer neben mir zu ignorieren, das
mir die Haut versengte.
Arik dagegen
schien zu einer Statue erstarrt. Sein Gesicht war wie eingefroren und gab nicht
das geringste Gefühl preis. Nur seine gefurchte Stirn zeigte, dass es in ihm
arbeitete.
Als er plötzlich
wieder sprach, zuckte ich erneut zusammen. „Und – wie geht’s dir und deinem…“
„Meinem was?“,
unterbrach ich ihn angriffslustig. „Mir geht’s bestens, danke der Nachfrage!“
Ich verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
„Schön“,
entgegnete er finster. Dann verstummte er wieder, und diesmal hielt sein
Schweigen bis zum Ende der Stunde an.
Als es endlich
schellte, war ich die Erste, die aus dem Raum stürmte. Ich brauchte dringend
frische Luft.
Neuanfang
Clarissa
Physik am
Donnerstag war unerträglich. Die Zeit dehnte sich wie Kaugummi. Mehrmals
klopfte ich gegen das Glas meiner Armbanduhr, weil ich dachte, sie sei stehen
geblieben. Die Minuten dehnten sich buchstäblich zu Stunden, und ich wurde
total hibbelig. Auch die Pause war unerträglich, doch als es endlich zur
dritten Stunde schellte, war ich hin- und hergerissen. Mir war übel vor
Nervosität. Ich wusste nicht, was ich mehr fürchtete: dass er da war und ich
die ganze Stunde neben ihm verbringen musste – oder dass er nicht da war.
Kaum jedoch
betrat ich die Klasse und warf einen Blick auf unseren Tisch, wusste ich die
Antwort, denn da saß er, noch vor mir, in dem ansonsten leeren Raum. Wieder
ging mir sein Anblick durch und durch. Mein Herz schlug einen Trommelwirbel,
der meine Beine so schwach machte, dass ich kaum die paar Schritte bis zu
meinem Platz schaffte. Und ich fühlte mich gleichzeitig total bescheuert, weil
er diese Wirkung auf mich hatte, und total euphorisch, weil… Naja, einfach so.
Aus keinem besonderen Grund. Und mit Sicherheit nicht wegen diesem finsteren,
unausstehlichen Typen.
Arik beachtete
mich nicht. Er schien intensiv in seinem Geschichtsbuch zu lesen. Während mir
das Herz bis zum Hals schlug, rückte ich meinen Stuhl zurecht und ließ mich neben
ihm nieder. Dann kramte ich mit zitternden Fingern in meiner Tasche und holte
ebenfalls mein Buch heraus. Zum Glück füllte sich der Raum langsam, so dass ich
wenigstens nicht mehr allein
Weitere Kostenlose Bücher