Hinter der Nacht (German Edition)
ich.
Und dann sah ich
auf einmal Arik wieder.
Er stand ganz am
Rand der Rasenfläche zwischen zwei ähnlich dichten Bäumen wie dem, unter dem
ich saß, und zwar so, dass Raphael, als er wieder zum Auto gehen wollte, dabei
dicht an ihm vorbei musste. Offensichtlich sprach Arik ihn an, denn ich sah,
wie Raphael innehielt und sich zu ihm umdrehte. Er sagte etwas mit einem
zunächst höflichen, unverbindlichen Gesichtsausdruck, der sich dann schlagartig
veränderte.
Schnell verließ
ich meinen Beobachterposten und schlich vorsichtig näher in der Hoffnung, etwas
von dem mitzukriegen, was die beiden dort redeten. Doch selbst aus der
Entfernung konnte ich erkennen, dass Arik extrem finster aussah. Dagegen
flackerte plötzlich in Raphaels Gesicht eine wilde Freude auf. Der ganze Mann
begann förmlich zu leuchten. Einige Augenblicke lang sah es so aus, als wollte
er auf Arik zustürzen. Die wütende Miene seines Gegenübers ließ ihn jedoch
abrupt wieder anhalten.
Mittlerweile war
ich so nahe und die beiden hatten ihre Stimmen so erhoben, dass ich sie
problemlos verstehen konnte.
„Lass Gott aus
dem Spiel! Der hätte das niemals erlaubt!“ Das war Arik, und die Kälte, die aus
seiner Stimme klang, ließ mich schaudern.
Raphaels
hilflose Miene wirkte fast bemitleidenswert. „Wovon um Himmels Willen redest
du?“
„Was du meiner
Mutter angetan hast!“
„Angetan? Ich
habe ihr nichts angetan! Das musst du mir glauben!“ Der flehende Ton seiner
Stimme ließ mir einen weiteren Schauer den Rücken hinunter laufen. „Ich habe
sie doch geliebt!“
„Liebe!“ Arik
lachte hämisch, und ich zuckte gemeinsam mit Raphael zusammen. „Was versteht
ihr Menschen schon von Liebe? Du hast ihr Leben für immer verdammt! Das ist
deine Liebe!“
Raphael wurde
leichenblass. Abwehrend hob er die Hände. „Ich habe nichts getan, was sie nicht
auch wollte! Und wenn ich es nur gekonnt hätte, wäre ich bei ihr geblieben! Bei
– euch!“ Unwillkürlich ließ er seinen Blick schweifen, und mir wurde
schlagartig klar, dass er Mike suchte. Auch ich sah mich um und entdeckte ihn
auf der anderen Seite des Feuers im Halbdunkel im Gespräch mit ein paar Freunden.
Ariks Entgegnung
war weithin zu hören, so laut schrie er inzwischen: „Du lügst! Sie hat das nie
gewollt! Sie würde nie so etwas – Böses tun! Du hast sie gezwungen!“
„Nein!“ Raphael schien sich mühsam zu beherrschen. Er ballte die Fäuste und sprach
durch zusammengebissene Zähne. „Ich habe sie nie zu etwas gezwungen! Ich wollte
sie glücklich machen!“
„Glücklich?“,
zischte Arik. „Das Glück meiner Mutter war in dem Moment vorbei, als sie dir
begegnet ist! Du hast es zerstört! Menschen! Ihr zerstört alles, was ihr
berührt! Ihr denkt nur an euch und eure Befriedigung! Die Folgen sind euch
egal! Aber ich werde dafür sorgen, dass du so etwas nie wieder tun kannst!“ Ich
sah, wie er bei den letzten Worten plötzlich leicht in die Knie ging. Und dann
griff er ohne weitere Vorwarnung mit einem lauten Knurren, das mir das Blut in
den Adern gefrieren ließ, an.
Er versetzte
Raphael, der wie erstarrt vor ihm stand, einen präzise gezielten wuchtigen
Tritt in den Magen. Der Schock in Raphaels Gesicht war unübersehbar. Ich sah,
wie alle Luft aus ihm wich, und dann sackte er wie in Zeitlupe vornüber.
Ich spurtete
los.
Gleichzeitig
hörte ich von der anderen Seite jemand schreien: „Dad! Arik! Was tust du? Hör
auf!“ Offensichtlich hatte die lautstarke Auseinandersetzung nicht nur mich
aufmerksam gemacht, denn auch Mike rannte nun mit großen Schritten auf die
Kämpfenden zu. Allerdings war er noch sehr viel weiter entfernt als ich.
Raphael
versuchte mittlerweile mühsam, sich wieder aufzurichten, während Arik ihn mit
stechendem Blick belauerte. Ich war mir sicher, dass er gleich wieder
zuschlagen würde. Gegen einen Kämpfer wie Arik hatte Raphael überhaupt keine
Chance, schon gar nicht, wenn dieser es bitterernst meinte.
Gerade, als Arik
wieder zu einem Fauststoß, diesmal eindeutig in Richtung Kopf, ausholte, war
ich bei den beiden und stürzte mich mit einem Schrei auf ihn, wobei ich seinen
zum Schlag erhobenen Arm herunterriss. „Arik! Hör auf!“
Er wirbelte zu
mir herum und sandte mir einen bitterbösen Blick zu. Dann schüttelte er mich
wie eine lästige Fliege ab. „Misch dich nicht ein, Clarissa! Das geht dich
nichts an!“
„Du kannst ihn
doch nicht einfach zusammenschlagen!“
„Er hat noch
viel Schlimmeres verdient!“ Er
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