Hinter der Nacht (German Edition)
gerade günstig für meine Pläne. Weit und breit
gibt es nichts, was als Versteck geeignet wäre. Schließlich bleibt mir nichts
anderes übrig, als mich flach an den Felsen unterhalb des Vorsprungs zu
pressen, so dass sie mich im Dunkeln hoffentlich nicht sofort ausmachen werden,
wenn sie nicht gezielt nach mir suchen.
Meine Lage ist
nicht gerade bequem. Ich klebe am Felsen wie eine Spinne, während unter mir den
Abgrund gähnt. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Klippen hier ein Stück über
das Meer hinausragen. Wenn ich abstürze, werde ich direkt im Wasser landen.
Falls ich Glück habe und mich nicht die überall aus dem Meer aufragenden
scharfzackigen Felsen vorher schon aufspießen.
In der nächsten
Stunde werden nicht nur meine Arm- und Beinmuskeln, sondern auch meine Nerven
arg strapaziert. Ständig rechne ich damit, dass sich plötzlich jemand von oben
auf mich wirft. Doch nichts passiert, außer dass meine Phantasie immer wildere
Blüten treibt, meine Beine zuerst zu zittern und dann zu brennen beginnen und
meine Finger sich wie taub anfühlen. Lange werde ich nicht mehr durchhalten.
Gerade, als die
letzten Strahlen der Sonne hinter den Klippen verschwinden, höre ich, gedämpft
von der Brandung, die weit unter mir gegen die Felsen donnert, in der Ferne ein
Motorengeräusch, das sich nähert und dann erstirbt. Während ich nach ihren
Schritten horche, hoffe ich inständig, dass sie mein Motorrad hinter dem Busch
nicht entdecken. Wenn sie nicht von ihrem Plan abweichen, müssten sie jetzt
gleich kommen.
Kurz darauf
ertönt das unverkennbare Knirschen von Schuhen auf Kies. Ich ziehe mich ein
winziges Stück hoch und sehe im Halbdunkel, wie sich zwei Gestalten näheren,
die etwas zwischen sich tragen. Ich halte den Atem an, während ich spüre, wie
Adrenalin durch meinen Körper schießt und mir neue Energie gibt. Mein Plan ist
einfach. Am besten kann ich sie überrumpeln, während sie Clarissa
hinunterlassen, denn dann haben sie ihre Hände nicht frei. Allerdings ist das
ziemlich riskant, denn in dem Handgemenge könnte Clarissa abstürzen, und
gefesselt, wie sie ist, hätte sie dann wohl keine Chance. Aber eine bessere
Idee habe ich nicht.
Ich warte, bis
der größere der beiden Wächter auf dem Felsvorsprung angekommen ist und
unmittelbar über mir steht. Dann ziehe ich mich mit einem raschen Klimmzug an
der Felskante hoch und katapultiere mich mit ganzer Kraft auf seine Beine. Ein
überraschter Schrei ertönt, während er umfällt wie ein Klotz. Er landet mit dem
Gesicht nach unten auf den Steinen. Sofort lasse ich meine Faust hinterher
schießen. Es gibt einen hässlichen Knacks, und der Kerl regt sich nicht mehr.
Das Ganze kann höchstens ein paar Sekunden gedauert haben. Erleichtert springe
ich auf. Jetzt habe ich es nur noch mit einem zu tun.
Gerade will ich
mich dem zweiten Gegner zuwenden, der immer noch wie erstarrt an derselben
Stelle oben am Klippenrand steht und Clarissas Schultern festhält, deren Beine
frei in der Luft baumeln, als plötzlich mehrere Dinge gleichzeitig passieren.
Clarissas Körper löst sich und knallt auf den Vorsprung hinunter, wo sie mit
einem lauten Krachen auf dem nackten Felsen landet. Und der zweite Wächter
verschwindet. Im selben Augenblick legt sich von hinten eine Schlinge um meinen
Hals und wird sofort brutal zugezogen. Das glühende Brennen und die akute
Luftnot registriere ich nur am Rande, auch wenn ich automatisch dagegen
ankämpfe. Was dagegen meine Gedanken beherrscht, ist die niederschmetternde
Erkenntnis, dass ich es verbockt habe. Das Spiel ist aus, und ich habe es
verloren.
Im Grunde ist es
ganz einfach: Ich bin nicht schnell genug gewesen. Der zweite Wächter hat
meinen Angriff bemerkt und ihm ausweichen können. Selbst, wenn es mir jetzt
gelänge, mich doch noch zu befreien, würde mir das gar nichts nützen, denn ein
zweites Mal werde ich die beiden nicht überrumpeln können. Sie wisen nun, dass
ich hier bin, und so können sie mich zu jeder Zeit abpassen. Es ist vorbei.
Ein roter Nebel,
durchzogen von silbernen Blitzen, wirbelt immer stärker vor meinen Augen. Auch
das Rauschen in meinen Ohren nimmt zu, und meine Lungen ziehen sich schmerzhaft
zusammen in dem vergeblichen Versuch, Sauerstoff in meinen Körper zu saugen.
Dann scheint auf einmal alles zu implodieren, und die Dunkelheit übermannt
mich. Ich merke, wie meine Beine unter mir wegknicken. Dann spüre ich nichts
mehr.
Urteil
Arik
Als ich wieder
zur Besinnung komme, bin
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