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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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entgegen.
    »Komm mit«, sagte Helen.

9
    I n ihrem ganzen Leben hatte sich Mrs. Bellinger noch nicht so sehr über das Klingeln des Telefons gefreut. Sie vergaß Entzündungen, Hühneraugen und Schwielen und sprintete auf den Apparat zu, und ihre sportliche Leistung wurde durch den Klang der richtigen Stimme belohnt.
    »Hier Dr. Vanner. Mein Antwortdienst sagt, Miss Gunnerson habe angerufen.«
    »Nein«, sagte die Haushälterin und versuchte zu Atem zu kommen. »Nicht Gail hat angerufen, sondern ich. Sie ist in einem fürchterlichen Zustand, und ich hielt es für das beste, Sie zu verständigen und keinen normalen Arzt. Ach, Sie wissen schon, was ich meine«, sagte sie in reuiger Verwirrung. »Sie redet die ganze Zeit nur von Ihnen, wie Sie ihr helfen, die schlimmen Träume zu überwinden, und so. Nur war dies bisher der schlimmste, Doktor. Dieser Traum war absolut nicht wie die anderen…«
    »Schon gut, Mrs. Bellinger, beruhigen Sie sich. Sie sind doch Mrs. Bellinger, nicht wahr?«
    »Jawohl, Sir, ich bin‘s, und ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht vorbeikommen können. Oder soll ich jemand anders rufen, Gails regulären Arzt, Dr. Yost?«
    »Die Frage kann ich eigentlich erst beantworten, wenn Sie mir genau gesagt haben, was bei Ihnen los ist,
    Mrs. Bellinger. Könnten Sie vielleicht Miss Gunnerson an den Apparat holen?«
    »Nein, das geht nicht. Ich meine, sie ist endlich eingeschlafen. Ich will sie nicht wecken. Als ich hinaufging, war sie wie eine Verrückte, Doktor, sie schluchzte und zitterte, wie ich es noch nie bei ihr erlebt habe. Wenn Sie das hätten sehen können …«
    »Bitte, Mrs. Bellinger«, sagte Vanner mit unendlicher Geduld. »Berichten Sie mir genau, was geschehen ist.«
    »Aber das weiß ich ja nicht! Ich meine, nicht genau. Ich hörte Gail schreien – wirklich schreien – und sie war nicht mal in ihrem Bett, sondern an ihrer Tür. Sie hatte die Tür geöffnet und schrie, als sei der Teufel persönlich in ihrem Zimmer. Ich ging nach oben so schnell ich konnte, und da lag sie auf der Schwelle, ganz hinüber.«
    »Sie war ohnmächtig?« Vanners Reaktion war nun schon angemessener, und Mrs. Bellinger fuhr eifrig fort.
    »Ja, ganz hinüber«, sagte sie mit dramatischer Betonung. »Und bleich wie ein Laken. Und ganz kalt und verschwitzt, wissen Sie. Ich mußte sie praktisch ins Bett schleppen, und sie begann ganz wirr zu reden …«
    »War sie im Delirium?«
    »Keine Ahnung, wie Sie das nennen. Ihre Worte ergaben jedenfalls keinen Sinn, aber so ist das wohl, wenn man träumt.«
    »Sind Sie sicher, daß es nur ein Traum war, Mrs. Bel- linger? Hätte es sich nicht um eine neue Halluzination handeln können?«
    »Das weiß ich nicht«, entgegnete die Haushälterin. »Gail sagte, es müsse ein Traum gewesen sein, mehr kann ich Ihnen nicht berichten.«
    Vanner schien überrascht zu sein. »Gail hat Ihnen das gesagt? Dann hat sie also doch ein paar kohärente Worte herausbekommen?«
    »Was?«
    »Mrs. Bellinger. Das ist jetzt sehr wichtig. War Gail in der Lage, hinterher mit Ihnen zu sprechen – konnte sie sich vernünftig ausdrücken?«
    »Ja. Ja, sie war ganz vernünftig, aber wenn Sie gesehen hätten, wie sie aussah, wie eine aufgewärmte Leiche, und wie sie am ganzen Leib gezittert hat… Immerhin haben wir Sommer, Doktor, und ich mußte ihr die elektrische Bettdecke heraussuchen und auf mittel einstellen, damit sie sich aufwärmen konnte …«
    »Ich verstehe«, sagte Vanner besorgt. »Mrs. Bellin- ger, ich glaube, es würde im Augenblick gar nichts nützen, wenn ich hinüberkäme, nachdem sie schläft. Am besten bleibt sie den Rest der Nacht ungestört.«
    »Ich glaube nicht, daß sie durchschläft.«
    »Wissen Sie, ob sie von den Mitteln genommen hat, die ich ihr verschrieben habe?«
    »Nein.«
    »Nun, aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie erst morgen früh aufwachen, und wir können dann entscheiden, was wir unternehmen wollen.«
    »Aber es muß etwas geschehen, Dr. Vanner – das meinen Sie doch auch, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Dr. Vanner, ehe er auflegte. »Es muß etwas geschehen.« Aber seine letzten Worte waren für Helen Malmquist bestimmt, die mit untergeschlagenen Beinen und schmollend geschürztem Mund auf der Sofakante saß und das befleckte Neglige über die Knie hochgezogen hatte. Vanners Gesicht zeigte leichten
    Widerwillen, als fände er die Kombination der aufreizenden Pose und des blutigen Kostüms ausgesprochen geschmacklos.
    »Warum wäschst du dich nicht und ziehst dich

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