Hinter der Tür
mein Schatz – über die Dinge, die du in der Wohnung wirklich gesehen hast. Meinst du, du hättest den Unterschied erkennen können, wenn das rote Zeug in der Badewanne Tomatenketchup oder Farbe gewesen wäre? Du hast die Leiche doch nicht berührt, oder?«
»Nein, das habe ich nicht fertiggebracht. Ich habe kehrtgemacht und bin fortgelaufen, so schnell ich konnte …«
»Klar, darauf hat man natürlich gebaut – auf eine gute Schockwirkung, die dich aus der Wohnung scheuchte mit der Überzeugung, daß sie wirklich tot war.«
»Steve, du irrst dich! Helen hat nicht zum erstenmal Selbstmord begehen wollen; ich habe die Narben an ihren Handgelenken gesehen! Und da war ein Abschiedszettel …«
»Vielleicht war das nur eine kleine Requisite für den ersten Akt. Eines der Dinge, die dich für den zweiten Akt reif machen sollten …«
»Du meinst, der Besuch bei mir.«
»Ja, der Besuch hier im Haus – auf dem Wege, den Helen schon mehrfach benutzt hat.« Bei diesen Worten fuhr Gail im Bett hoch, und er hielt sie mit einer Handbewegung zurück. »Ja, darauf will ich hinaus, Gail, daß Helen nicht zum erstenmal Katz-und-Maus mit dir gespielt hat. Vielleicht ist sie schon seit Monaten auf dem Boden und sonstwo am Werk und rumst herum oder rasselt mit Ketten oder tut weiß Gott was, um dich zu Tode zu erschrecken …«
»Aber warum?«
»Auf das Motiv komme ich gleich noch. Bedenken wir im Augenblick nur die Methode. Nehmen wir einmal an, Helen hätte ein Interesse, dich wirklich zu erschrek- ken – welchen besseren Trick gäbe es da, als dir ein Gespenst vorzuführen – ihr eigenes Gespenst? Sie wußte doch, daß du heute nachmittag bei Vanner warst, nicht wahr?«
»Ja. Sie wußte, wann ich meinen Termin hatte.«
»Gut. Sie ruft also beim Arzt an und spielt die Erregte, bereit, sich in die Ewigkeit zu stürzen, wobei sie sich sehr wohl ausrechnen kann, daß du bereit bist, zu ihr zu kommen und ihr das Händchen zu halten. Aber ehe du eintreffen kannst, malt sie sich die Hand rot an. Verstanden?«
»Nein! Steve, es gäbe keinen Grund …«
»Woher weißt du das? Ich meine, bist du wirklich sicher, daß man in dieser Welt leben kann, ohne sich Feinde zu machen?«
»Was sollte Helen gegen mich haben?«
»Vielleicht nichts – jedenfalls nichts Persönliches. Vielleicht ist sie nur – naja, engagiert worden, verstehst du?«
»Engagiert? Wer sollte sie engagieren, um etwas so Schreckliches zu tun?«
Er versuchte nicht zu lange zu zögern. »Gail, es gibt viele verquere Leute auf der Welt, das muß ich dir leider sagen, und einige dieser Typen können durchaus in Stellungen sitzen, die nach außen hin viel Ansehen bringen. Und wenn es um das große Geld geht, sind diese Leute vielleicht nicht in der Lage, ihre moralischen Prinzipien aufrechtzuerhalten – sie bilden sich womöglich ein, sie hätten das Recht, alle möglichen verrückten und auch kriminellen Dinge zu tun …«
»Ich verstehe kein Wort!«
»Ich weiß selbst nicht genau, was ich da rede«, sagte er grimmig und nicht ganz wahrheitsgemäß. »Und vielleicht ist meine Theorie noch ziemlich unausgegoren. Aber es gibt eine Möglichkeit, der Sache nachzugehen.«
»Und die wäre?«
»Indem wir den logischen ersten Schritt machen – indem wir feststellen, ob deine Freundin Helen lebt oder tot ist. Und ob sie deine Freundin ist.«
Auf dem engen Rücksitz eines Nova-Taxis, das sich von der East Side in den Westen durchschlängelte, stellte sich Steve all die Fragen, die er am liebsten schon in Gail Gunnersons Schlafzimmer ausgesprochen hätte. Wenn seine Vermutungen über Helen Malmquist zutrafen, waren noch andere Bösewichter in die Sache verwik- kelt – das Wort »Bösewicht« war kaum vorstellbar im Zusammenhang mit Saul Tedesco, selbst wenn alle Logik dafür sprach. Aber wenn nun Onkel Saul gar nicht der Bösewicht war? Wenn es andere Direktoren in der Fiduciary Bank gab, die der Zukunft des Gunner- son-Kontos nicht annähernd so gelassen entgegensahen und die nicht ganz so ethisch waren in ihrem Bemühen, es der Bank zu erhalten – Opfer ihrer eigenen Gier, bereit, auch Gail zu einem Opfer werden zu lassen? Steve hatte keine genaue Vorstellung vom Wert des Gunnerson-Erbes, doch er hatte gehört, daß es zu »einem der zehn größten Privatvermögen in Amerika« zählte – und wurden nicht wegen weitaus geringerer Summen viel schlimmere Verbrechen begangen? Zum Beispiel für dreißig Silberlinge? Und ein neuer Gedanke. Wenn nun Gails
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