Hinter Jedem Konflikt Steckt Ein Traum, Der Sich Entfalten Will
ist. Ein Mann in ihrer Position und mit ihrem Wissen würde sehr wahrscheinlich nicht so lange in einem solch abwertenden Arbeitsverhältnis verharren. Als allein erziehende Mutter hat sie in unserer Gesellschaft wenig Rang und ist mit vielen anderen Frauen von Armut bedroht, das lässt sie im Arbeitssystem bleiben.
Wenn wir unbewusst mit unserem Rang, unseren Privilegien oder unserer Stärke umgehen, schüren wir Konflikte.
Rang, Status und Privilegien – ich treffe immer wieder Menschen, die darüber nicht gerne sprechen. Als sei es anrüchig, einen hohen Status oder Rang zu haben und sich zu diesem zu bekennen. Ich bin Europäerin, Deutsche, meine Hautfarbe ist weiß, ich habe Psychologie studiert, eine Ausbildung, die in den letzten Jahrzehnten an Status gewonnen hat. Ich bin meine
eigene Chefin und so frei, wie Frauen meiner Herkunft, als Tochter einer Winzerfamilie, sich früher nicht fühlen konnten. Ich habe als Autorin und Psychologin viele Jahre fürs Fernsehen gearbeitet. Freue ich mich darüber? Lange Zeit lieber nicht zu laut. Feiere ich mich deswegen? Bin ich besonders? Na, ich weiß nicht, höchstens im Geheimen denke ich das manchmal und würde doch am liebsten diesen Satz gleich wieder streichen.
Den eigenen Rang annehmen und sich über die Vorzüge freuen, damit haben es viele Deutsche und ich auch nicht leicht. Es ist viel Schreckliches passiert, weil Deutschland mehr als zehn Jahre in dem Massenwahn lebte, ein biologisches Recht auf mehr Rang zu haben und sich über andere Völker und Rassen zu erheben und sie sogar zu töten. Ein hoher Rang wird ja tatsächlich in Beziehungen und Organisationen häufig benutzt, um Macht über andere zu gewinnen. Die Geschichte unserer Kultur ist voll von Missbrauch und schlechtem Umgang mit Rang.
Das mag Menschen verleiten, vor allem den eigenen Status und die dazugehörigen Statushandlungen zu ignorieren, auch wenn sie eine permanente Rolle spielen. In seinem Buch Improvisation und Theater beschreibt Keith Johnstone, der Begründer des Improvisationstheaters, dass wir ständig Statushandlungen vornehmen. Er geht sogar so weit zu sagen, dass »jeder Tonfall und jede Bewegung Status vermittelt«. So kann es sein, dass die berühmte Schauspielerin in eine Putzfrau oder in einen Bühnenarbeiter hineinläuft, weil sie diese einfach übersieht. Die Schauspielerin denkt vielleicht, sie sei zu zerstreut, und merkt nicht, wie sie aus
ihrem Status heraus handelt. Den Regisseur oder den Theaterdirektor hätte sie nicht übersehen. Solche unbewussten oder unbeabsichtigten Statushandlungen – hier das Überrennen der Putzfrau – sind Doppelsignale, mit denen sich unser Rang so oder so einen Ausdruck verschafft.
Interessant ist, dass wir Statusspiele im Theater und im Film dramatisch oder auch lustig finden, wahrscheinlich weil das Statuserleben so elementar ist und unsere Arbeits- und Beziehungswelten so nachhaltig mitgestaltet. Wenn Charly Chaplin in seinen Filmen Tiefstatus spielt und es dennoch schafft, Menschen mit Hochstatus herabzusetzen, dann freuen wir uns darüber. Im Improvisationstheater gibt es eine Spielform, die denjenigen gewinnen lässt, der es schafft, den Tiefstatus des Mitspielers noch zu unterbieten. Wenn das gut gespielt ist, können sich die Zuschauer vor Lachen kaum auf ihren Sitzen halten. Schauspielschüler lernen auf diese Weise, sich in alle Rollen, in solche mit hohem und tiefem Status, hineinzuversetzen, was für die meisten von ihnen sehr schwer ist, weil wir alle Rang und Status weder aufgeben noch uns eingestehen wollen.
Im Alltag ignorieren wir diese ständigen Statushandlungen und -bewegungen in der Regel. Wir tun so, als ob es sie nicht gäbe und sprechen sie normalerweise auch nicht an. Erst in Konflikten benennen wir unsere Empfindungen und das Statusverhalten und die Gesten des anderen und wie sehr wir darunter leiden. Wir sind uns aber auch dann noch nicht bewusst, dass wir Vergleichbares tun und mit Statushandlungen kontern und den Konflikt damit stabilisieren.
Wenn wir einen bestimmten Rang in einem gesellschaftlichen Kontext erworben haben, werden wir ihn in der Regel auch nicht wieder los, selbst wenn wir Statusunterschiede leugnen und andere mit weniger Rang am liebsten davon überzeugen möchten, dass sie genauso gut und wertvoll sind wie wir, darin sind sich Schauspiellehrer und Prozessorientierte Psychologen einig.
»Rang ist eine Droge. Je mehr wir davon haben, desto weniger ist uns bewusst, wie er sich negativ auf
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