Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hinter verschlossenen Türen

Titel: Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
Vom Netzwerk:
Kleinigkeit, aber lassen Sie sich nichts anmerken! lautete die ruhig aber mit Nachdruck erteilte Weisung. Vielleicht werde ich einen andern an Ihre Stelle schicken müssen, da man hier weiß, wer Sie sind.
    Sie hatten die Haustür erreicht. Gryce setzte draußenseinen Weg langsam und sichtlich ermüdet fort. Nicht alle seine Schmerzen und Nöte an diesem Abend waren bloß äußerer Schein gewesen: er fühlte sich wirklich angegriffen.

Siebtes Kapitel.
    Es war Gryce unmöglich, den Ausdruck des Schreckens zu vergessen, den er in jenem unbewachten Moment in Doktor Molesworths Blicken erspäht hatte. Der Sache näher auf den Grund zu gehen, verlangte schon seine Pflicht als Detektiv.
    Am nächsten Morgen suchte er den Coroner In Amerika und England der Beamte, der bei verdächtigen Todesfällen die sofortige Untersuchung zu leiten hat.] auf, der noch nicht lange von der Totenschau zurückgekehrt war. Er teilte ihm mit, daß ihn die Neugier oder eine Art Instinkt am Abend zuvor in das bewußte Haus geführt habe und erkundigte sich bei dem ihm wohlbekannten Doktor Braun nach den Ergebnissen seiner Untersuchung.
    Was Molesworth dem Coroner gegenüber in betreff des Vorgangs ausgesagt hatte, stimmte genau zu seinen Angaben vom vorigen Abend.
    Und doch, meinte Gryce, habe ich in seinem Gesicht etwas gelesen, was mich an der Glaubwürdigkeit seines Berichts zweifeln laßt.
    Sie überraschen mich; es ist Ihnen doch kein Verdacht aufgestiegen?
    Bis jetzt ist alles nur Mutmaßung; aber es sind Nebenumstände vorhanden, die – Sie müssen nämlich wissen, daß ich das Mädchen gestern nachmittag im C–Hotel gesehen habe. Ich beobachtete sie, von ihr selbst unbemerkt, als siesich ganz allein glaubte – ich hatte meine Gründe dazu, die aber nicht hierher gehören. Damals fühlte sie sich allem Anschein nach froh und glücklich, jedenfalls war an ihrem Aeußern keine Spur einer Krankheit erkennbar.
    Sehr auffallend, das muß ich sagen.
    Hören Sie weiter: drei oder vier Stunden später begab ich mich abermals in das Hotel. Ich hatte jene Mildred Farley irrtümlicherweise für eine andere Person gehalten, welcher sie sehr ähnlich sah und wollte mir darüber Gewißheit verschaffen. In Begleitung eines Zeugen, dessen Aussagen jedoch für Sie keinen Wert haben, nahm ich meinen Beobachtungsposten wieder ein. Mit dem Mädchen war augenscheinlich eine große Veränderung vorgegangen. Aber Krankheit hielt ich nicht für die Ursache dieser jähen Umwandlung, denn aus ihren Mienen und Geberden sprach Jammer und wilde Verzweiflung, nicht körperliches Leiden oder Geistesstörung. – Was konnte ihr zugestoßen sein? – Ich erfuhr, daß inzwischen eine Unterredung zwischen ihr und Doktor Molesworth stattgefunden habe. Bei dieser muß etwas zur Sprache gekommen sein, was ihr Glück und ihre Hoffnung auf immer zerstört hat. Anstatt den Bräutigam zur Trauung zu erwarten, ergriff sie die Flucht. Sie entfernte sich aus dem Hotel, ohne Aufsehen zu erregen. Der Laufbursche, der sie hinausgehen sah, sagt aus, sie habe sich nicht wie eine Fieberkranke geberdet, sondern sei mit ihrer kleinen Tasche am Arm ruhig ihres Weges gegangen; ihr Gesicht habe sie mit einem Schleier von dunkelbrauner Farbe verhüllt. Diesen braunen Schleier will auch das Dienstmädchen bei ihr im Zimmer bemerkt haben; das ist abermals ein wichtiger Umstand, denn, beachten sie es wohl: der Schleier, der an ihrem Kleide hing, als sie in Frau Olneys Wohnstube getragen wurde, war hellgrau – der Beschreibung nach ein ganz anderer als der, welchen sie beim Verlassen des Hotels getragen.Sie muß also inzwischen noch an einem andern Ort gewesen sein. Wo? Das ist eine von den Fragen, für die wir noch die Antwort zu suchen haben. Und dann das Gift? – Von Molesworths Wohnung ging ich gestern abend durch die 22. Straße und fand vor einem der Häuser zwischen der Fünften und Sechsten Avenue ein zerbrochenes Fläschchen, das stark nach bittern Mandeln roch. Das stimmt also zu seiner Geschichte. Der Zettel aber mit der Aufschrift, wie ihn jeder Apotheker aufklebt, war abgerissen oder vielmehr mit dem nassen Finger von dem Fläschchen abgerieben worden. Ich habe die Glasstücke hier; sehen Sie, es sind noch einige Papierfetzen daran.
    Ja wohl, und daraus schließen Sie –
    Daß besondere Vorsicht beobachtet worden ist. Solche Vorsicht paßt aber nicht zur Annahme eines Selbstmords, mag derselbe mit oder ohne Vorsatz begangen worden sein.
    Da können Sie recht haben.
    Dazu kommt

Weitere Kostenlose Bücher