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Hintergangen

Hintergangen

Titel: Hintergangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Abbott
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Erwiderung.
    »Schön, endlich hier zu sein, und ich würde mich freuen, wenn Sie mich Laura nennen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich keine Ahnung habe, wie ich Sie nennen soll!« Oh Gott, wie unfein! Warum macht mich dieser Mann bloß so nervös ?
    Er lächelte mich wohlwollend an.
    »Ich hoffe, wir werden gute Freunde, Laura, also nennen Sie mich bitte Hugo. Setzen Sie sich doch. Jessica bringt auch gleich Kaffee herein, und dann können wir eine Stunde übers Geschäftliche reden, bevor ich das Vergnügen habe, Sie zum Mittagessen auszuführen.«
    Er erzählte mir alles über seine Charity-Aktivitäten, und er ist ja so leidenschaftlich bei der Sache! Es war wundervoll, einfach dazusitzen und zuzuhören. Anscheinend hat er eine »ziemlich beträchtliche Summe« von seinem Vater geerbt, hauptsächlich in Grundbesitz, der von seiner Firma im Canary Wharf verwaltet wird. Hugo widmet aber lieber so viel Zeit wie möglich der wohltätigen Stiftung, die er eingerichtet hat. Sie hilft jungen Prostituierten, die ohne eigenes Verschulden auf der Straße gelandet sind. Ich wollte von ihm wissen, wieso er diese Art von Hilfsprojekt gewählt hat, und weil es eine ganz unglaubliche Geschichte ist, bat ich ihn um Erlaubnis, ihn als Recherche für eine Sendung aufnehmen zu dürfen. Er sagte, aufnehmen könnte ich ihn schon, war sich aber nicht so sicher, ob er mir gestatten würde, es auch zu verwenden. Jedenfalls fing er an zu erzählen.
    »Vor einigen Jahren kam eine ziemlich peinliche Geschichte ans Licht. Der Reichtum meiner Familie ist natürlich geerbt – aber wie sich herausstellte, wurde das Familienvermögen damals im 19.   Jahrhundert auf der Sklaverei aufgebaut. Mein Ururgroßvater stellte sich zu Beginn des Jahrhunderts gegen das Gesetz zur Abschaffung des Sklavenhandels und setzte bis weit in die Mitte des Jahrhunderts hinein den Handel in verschiedenen Teilen des British Empire fort. Seine unrechtmäßig erworbenen Gewinne investierte er in Grundbesitz. Es hieß, mein Urgroßvater – sein Sohn – hätte mit Prostitution ebenfalls gut verdient, obwohl wir das nicht nachweisen konnten. Die meisten Freudenmädchen kamen damals aus der Unterschicht, und er soll ein paar Klubs gegründet haben, mit ›sauberen‹ Mädchen für seine reichen Freunde. Dafür kann ich zwar keine stichhaltigen Beweise finden, offenbar kamen zu seiner Zeit damals in London aber auf eine Prostituierte zwölf erwachsene Männer, es würde mich also nicht wundern.«
    »Dann haben Sie sich also deshalb entschieden, Prostituierten zu helfen?«, fragte ich.
    »Nun ja, Sklaven konnte ich ja schlecht helfen, und nachdem das alles zu Lebzeiten meines Vaters ans Licht kam, hatte er die Idee, und ich entwickelte sie dann weiter. Ich nannte es die Allium-Stiftung.«
    Ich liebe Allium, es ist so eine Art Lauchgewächs. Dann klärte Hugo mich auf, dass es zur Familie der Zwiebeln gehört. Wusstest du das?
    »Die Analogie gefällt mir«, sagte er. »Was als ziemlich geruchsintensive, mehrschichtige Knolle anfängt, bahnt sich mit einem starken, kräftigen Stängel seinen Weg durch den Boden und endet in einer herrlichen, komplexen Blüte. Ich mag die Parallele zu den Familien der Mädchen – was unter der Oberfläche ist, ist nicht besonders süß, doch wenn es entsprechend kultiviert wird, hat es das Potenzial zu einem schönen Ergebnis.«
    Aus seinen Worten kann ich nur schließen, dass er nicht nur reizend, sondern auch sensibel und einfühlsam ist. In dem Moment bekam ich das Gefühl, ich hätte lieber nicht herkommen sollen. Es war gefährlich.
    Wir machten uns auf den Weg ins Restaurant, das genauso war, wie ich gedacht hatte: diskret, raffiniert und in ruhigen, dezenten Steintönen gehalten. Wir wurden an unseren Tisch geführt. Hugo kam dem Kellner zuvor und rückte mir selbst den Stuhl hin, bevor er sich setzte. Als der Kellner die Speisekarten brachte, winkte Hugo ab.
    »Sagen Sie mir, was Sie gern hätten, Laura. Welche Art von Speisen machen Ihnen Freude, welchen Wein mögen Sie am liebsten?«
    Das hatte mich noch nie jemand gefragt, und ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
    »Na gut, dann sagen Sie mir doch, welche Art von Speisen Sie nicht mögen.«
    Die Liste ist ziemlich kurz, wie du weißt, aber als ich sprach, hatte ich das Gefühl, Hugo interessierte sich ehrlich für mich. Ab und zu half er mit eigenen Ideen, rief nach etwa zehn Minuten den Kellner herbei und bestellte – ohne weiter die Speisekarte zurate zu

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