Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Titel: Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
Vom Netzwerk:
hat mich nichts erschreckt, aber jetzt werde ich alt, und meine Sinne hängen ebenso in Fetzen wie meine Gefühle.
    »Nein, nein, Darling. Das meinst du doch gar nicht ernst. Du erinnerst dich an Dinge, die nie passiert sind. Da ist nichts, das wir nicht wieder in Ordnung bringen können.«
    Während ich sie so ansehe, wie sie da steht – jeder Funke des Mädchens, das sie einmal war, wurde ihr von diesem Monster Carmine ausgetrieben –, wird mir bewusst, dass ich sie zu sechzig Prozent für unschuldig halte und mir zu vierzig Prozent scheißegal ist, ob sie’s war oder nicht.
    Was auch immer dazu nötig ist, diese Frau soll wieder glücklich werden.
    »Ich bin hier, Sofia«, sage ich und nehme sie in die Arme, wobei sie mir noch viel kleiner vorkommt als vor wenigen Minuten. Ein Tipp für eine Radikaldiät: Entwickeln Sie eine Psychose und mörderische Neigungen, und schon purzeln die Pfunde.
    »Wir stehen das durch«, sage ich. »Ich bleibe hier.«
    »Ist das rührend«, sagt Ronnie, die jetzt im Zimmer steht, den Daumen in der Gürtelschlaufe.
    Ich werfe ihr einen giftigen Blick zu. »Hast du jetzt den Spaß, den du dir erträumt hast, Detective?«
    Ronelle guckt finster. »Nein, hab ich nicht, Daniel. Ich bringe einen alten ungelösten Fall zum Abschluss, und ich sollte stolz drauf sein, aber du gibst mir das Gefühl, ich hätte diesen Wichser Carmine selbst erschossen. Hast du nicht gewusst, dass Schadenfreude zu den Privilegien meines Berufs gehört?«
    Ich umarme Sofia noch inniger. »Tut mir leid, dass ich dir deinen glorreichen Tag versaut habe, aber es geht hier um das Leben eines Menschen.«
    Sofia tätschelt mir die Brust. »Carmine ist auch einer. Wenn ich ihm etwas angetan habe, etwas Schreckliches, dann sollte ich dafür geradestehen.«
    Ich sehe nicht, wie ich verhindern kann, dass Sofia zur Vernehmung muss. Ich strecke Ronnie einen Finger entgegen.
    »Gib mir eine Sekunde, okay?«
    »Ich gebe dir sogar zehn, Spielverderber. Dann rufe ich Verstärkung.«
    Sofia entwindet sich mir. »Du musst mich gehen lassen, Dan.«
    Ich packe sie an den Schultern, sehe ihr direkt in die Augen. »Okay, Darling. Die setzen dich ins Auto und bringen dich in die Stadt zur Vernehmung. Aber eigentlich fischen sie im Trüben, weil sie nichts in der Hand haben, außer einem Anruf von einer betrunkenen, schizophrenen Frau, die sich an nichts erinnert. Sag nichts, bis ich mit einem Anwalt komme, und auch dann bleibst du eisern dabei: Du kannst dich nicht erinnern. Verstanden?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagt Sofia, dann verrät sie sich mit dem Versuch, tapfer zu lächeln.
    Mir wird schwer ums Herz. Bis die Tür des Vernehmungsraums hinter ihr ins Schloss fällt, wird Sofia wiederholen, was ich ihr vorsage, und dann drauflossprudeln, was auch immer ihr die Depression eingibt. Ich spüre ein Kribbeln in den Extremitäten, und die Ränder meines Blickfelds verdunkeln sich. Eine Sekunde lang kann ich Sofias Verzweiflung nachvollziehen.
    »Schon okay, Baby«, sagt sie und streckt ihre Hand nach oben, um mir die Wange zu streicheln.
    »Ist es besser so?«
    Ronnie klopft mit den Handschellen, und ich weiß, dass meine Zeit um ist. Wenn ich Sofia jetzt nicht sofort freigebe, packt sie die Handschellen aus und lässt Verstärkung die Treppe hinaufpoltern.
    »Halte durch, Darling, für mich«, sage ich und bin den Tränen so nahe wie lange nicht mehr. »Halte durch, bis ich bei dir bin.«
    »Mach ich, Dan«, sagt sie, und ich weiß, dass es vorbei ist.
    Sie würde einen Pakt mit dem Teufel schließen, wenn sie dadurch die Strafe bekäme, die sie in ihrem psychisch verwirrten Gehirn zu verdienen glaubt.
    Ronnie hat Sofia an den Handgelenken gepackt und zieht sie sanft mit sich, als ich eine Gestalt an der Tür entdecke und mein keltischer sechster Katastrophensinn meldet, dass es gleich noch viel dicker kommt.
    Wie zum Teufel kann es jetzt noch schlimmer werden?

    Der Mann an der Tür sieht aus, als wäre er von einer Horde Affen verdroschen worden. Auf einer Seite stehen ihm die Haare zu Berge, und auf der anderen Seite trägt er sie zu einer perfekten Tolle frisiert. Er steckt in einem neonblauen Anzug mit unglaublichen, aber leider wahren Schulterpolstern – entweder sind sie retro oder der Mode weit voraus –, und über seiner fleischigen Oberlippe prangt ein Prince-Bärtchen, das sich im Rhythmus seines schweren Atems windet wie ein Wurm. Körperlich scheint er keine große Bedrohung darzustellen, es sei denn, er

Weitere Kostenlose Bücher