Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
unteren Astgabelungen eines Kastanienbaums und schlage dort mein Lager auf. Sharpie flüstere ich Nettigkeiten zu, damit er auf keine dummen Gedanken kommt, während ich ihn zusammenbaue, anschließend widme ich mich der bevorstehenden Abendunterhaltung.
Der erste Raum ist ein Arbeitszimmer oder Büro mit einem großen Holztisch und einem Gasofen, der aussehen soll wie ein altmodischer Kamin. Mike sitzt am Schreibtisch und liest die Comicstrips in der Tageszeitung.
Perfekt. Ein kurzer Blick in das andere Zimmer, und schon kann’s losgehen. Vielleicht schaffe ich’s noch rechtzeitig vor Beginn von Sledge Hammer! nach Hause , meiner Lieblingscomedysendung aus den achtziger Jahren, absolut zum Wegschmeißen. Glauben Sie mir und gucken Sie sich das an, Sie werden lachen, bis es weh tut.
Wie Sie sehen, gebe ich mich, was diese Mission hier betrifft, äußerst gelassen, aber ich kann niemandem etwas vormachen, nicht mal mir selbst. Ich habe vor, einen Mann in seinem eigenen Haus zu erschießen, möglicherweise nur wenige Räume von seiner Ehefrau und seiner Tochter entfernt. Meine Tat wird schwerwiegende Konsequenzen haben und in Bezug auf Daniel McEvoys Zulassung zum Himmel möglicherweise der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Tu’s, sagt Sharpie. Schieß.
Ich sollte es tun. Alles ist bereit. Keine Zeugen in Sicht.
Drück ab.
Mein Finger schwebt über dem Abzug, und ich versuche, mein Gehirn zu bewegen, den Befehl zu senden, aber nichts passiert.
Mach dir noch mal klar, dass es keinen anderen Ausweg gibt.
Mit Mike verschwinden auch alle meine Probleme.
Ach ja? Und was ist mit Mikes Stellvertreter, Calvin? Meinst du, der klopft nicht bei dir an?
Wenigstens kann ich damit Zeit schinden.
Du verpasst jemandem einen Kopfschuss, weil du Zeit schinden willst?
Wird eine Weile dauern, bis Calvin seine Leute zusammengetrommelt hat.
Das ist keine Antwort auf die Frage bezüglich des Kopfschusses.
Mike hätte keine Skrupel, mir dasselbe anzutun.
Du bist aber nicht Mike. Willst du sein wie Mike?
Nein. Will ich nicht.
Ich will nicht sein wie Mike, aber mir bleibt keine andere Wahl.
Das Blut pocht in meiner Stirn, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Warum will mein Finger nicht tun, was man ihm sagt?
Mike sitzt da, beinahe so nah, dass man ihn berühren könnte. Wenn ich abdrücke, müssen hundert Dinge in der richtigen Reihenfolge ablaufen, damit die Kugel in dieser Waffe den Weg in Mikes Hirn findet. Die Chancen, dass sie’s nicht tun, stehen ziemlich gut. Dass ich den Abzug betätige, ist nicht einmal die Ursache dieser Wirkung. Die eigentliche Ursache reicht lange zurück. Generationen. Bis zu den Mächten, die Mike und mich heute hergeführt haben.
Aber willst du so sein wie Mike?
Das ist das entscheidende Argument. Ich kann Mike nicht erschießen, auch wenn ich gedacht habe, ich könnte.
»Mist«, flüstere ich.
Das kannst du laut sagen, Bruder, flüstert Sharpie.
Mist, weil es keinen Plan B gibt.
Ich höre gedämpftes Damengelächter und das Klirren von Champagnerflöten und schwenke mit dem Zielfernrohr auf das zweite Zimmer.
Da ist eine Party im Gange.
Die Damen dort lassen sich etwas in die Gesichter spritzen.
Der Prius.
Zeb, du Arsch. Was zum Teufel denkst du dir dabei?
Als Zeb sich bereit erklärte, Sofia mit auf seine Runden zu nehmen, erwähnte er nicht, dass einer seiner Termine im Haus von Irish Mike Madden stattfinden würde. Mrs Madden muss ein Dutzend Freundinnen eingeladen haben, sie schlürfen Champagner und tänzeln über den Teppich, bis sie an der Reihe sind, auf dem verstellbaren Fernsehsessel Platz nehmen und sich von Zeb oder seiner schönen Assistentin Botox in die Stirn injizieren lassen zu dürfen. Sowohl Zeb wie auch Sofia picheln selbst ordentlich, was meiner Überzeugung nach, streng medizinisch betrachtet, bestimmt nicht die beste Vorgehensweise ist.
Eine der Damen gleitet jetzt in den Sessel, und Sofia setzt sich rittlings auf sie, kneift ein Auge zu und bohrt, von den aufgekratzten anderen angefeuert, die Spritze in eine Falte zwischen den Augen der Dame.
Das ist Wahnsinn. Absolut irre. Wie sollen wir überleben, wenn Zeb schneller Scheiße baut, als ich etwas in Ordnung bringen kann?
Mein Telefon vibriert, und als ich nachsehe, entdecke ich eine SMS des Fraglichen höchstselbst.
Du wirst nie auf die Idee kommen, wo ich bin.
Ich simse zurück.
Ich weiß genau, wo du bist. Ich beobachte dich. Mach, dass du da rauskommst.
Ich sehe, wie er
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