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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sehen. Das verwunderte ihn nicht, denn es war Werktag, und alles, was ein Paar Hände und Füße hatte, war heute auf den Feldern, um die Stunden zu nutzen, bis der Regen einsetzte. Die Ernte war längst noch nicht eingebracht, und fing es in East Anglia einmal an zu regnen, konnte man nie wissen, wann es wieder aufhörte.
    »Das ist eine sehr schöne Kirche, Alan«, bemerkte Miriam. »Größer, als ich angenommen hätte.«
    »Der Bau hat meinen Urgroßvater fast ruiniert. Heute lockt sie Pilger an und bringt uns gutes Geld. Wenn du willst, zeige ich sie dir später. Aber zuerst will ich auf die Burg. Es ist nur noch eine halbe Meile.«
    Miriam stimmte bereitwillig zu, und sie ritten im Schritt an den Feldern vorbei, durch das kleine Wäldchen zwischen Burg und Dorf und gelangten schließlich an das Torhaus der äußeren Palisade. Alan erwiderte den ehrerbietigen Gruß der Wachen, ignorierte jedoch die neugierigen Blicke, die sie der fremden, seltsam gekleideten Frau zuwarfen, und ritt quer über den Burghof. Auf der anderen Seite saßen sie ab. Ihm entging nicht, dass die Bewegungen seiner Frau ein wenig steif waren, aber die freche Bemerkung über die Beschwernisse des Reitens nach einer so wilden Hochzeitsnacht wie der ihren, die ihm auf der Zunge lag, schluckte er lieber hinunter. Vielleicht hätte sie darüber gelacht. Vielleicht hätte sie ihn aber auch mit einem Blick königlicher Missbilligung gestraft, und den wollte er sich lieber ersparen.
    Lady Matilda hatte die Halle nahezu für sich allein. Als sie die Schritte hörte, sah sie von ihrem Stickrahmen auf. »Willkommen daheim, Alan.«
    »Danke.« Er schob Miriam vor sich. »Meine Braut, Miriam of Norwich. Miriam, dies ist meine Großmutter, Lady Matilda.«
    Letztere steckte die Nadel in den feisten Bauch des dänischen Wüterichs auf ihrem Bilderteppich, stand auf und trat zwei Schritte näher. Ein Strahlen lag in ihren blauen Augen, das Alan nicht so recht zu deuten wusste, und ihre Miene war wie meistens undurchschaubar. Dann lächelte sie und nahm Miriam für einen Moment bei den Händen. »Dann sei auch du willkommen in Helmsby, mein Kind.«
    »Danke, Madame.«
    »Du hast die gleichen Augen wie dein Onkel Ruben, dieser Filou.«
    Alan spürte mehr, als er sah, wie Miriam tief durchatmete. »Ihr wisst also, wer ich bin.«
    »Natürlich.«
    Es herrschte einen Moment Stille. Dann fragte Alan: »Bist du schockiert?«
    Seine Großmutter stieß die Luft durch die Nase aus – ein Laut, der Belustigung ebenso auszudrücken schien wie Herablassung. »Schockiert? Wohl kaum, mein Junge. Nicht nach dem, was deine Mutter getan hat. Und was ich selbst getan habe. Ich stelle fest, ich habe immer geahnt, dass du einen Weg finden würdest, uns beide noch zu übertrumpfen.«
    »Sei versichert, das war das Letzte, woran mir gelegen war«, gab er frostig zurück.
    Seine Großmutter lächelte, zwinkerte Miriam zu und wies zur Tafel hinüber. »Kommt. Wir wollen auf euer Glück anstoßen.«
    Alan beobachtete mit einer Mischung aus Erleichterung und Eifersucht, wie Matilda Miriam beim Arm nahm und mit Beschlag belegte, sie zum Tisch führte und auf den Platz neben sich zog, der eigentlich seiner war. »Erzähl mir, wie er deinen Vater überredet hat«, bat die alte Dame. »Oder seid ihr durchgebrannt?«
    Miriam schüttelte den Kopf. »Ich war sicher, das müssten wir. Aber irgendwie hat Alan es geschafft, ihn zu überzeugen.«
    »Hm«, brummte Matilda. »Es liegt daran, dass er das Blut angelsächsischer, schottischer und normannischer Könige in den Adern hat. Das heißt, ererbte Durchsetzungskraft aus drei Linien.«
    Alan stöhnte. »Großmutter, bitte …«
    Sie ignorierte ihn. »Man könnte auch sagen: Rücksichtslosigkeit. Er bekommt immer, was er will, heißt es.«
    Alan lehnte hinter ihr am kalten Kamin. »Bist du jetzt fertig?«
    Sie wandte den Kopf und sah ihn an. »Du kannst mir nicht weismachen, dass du ihr Lebensglück und ihre Sicherheit im Sinn hattest, als du beschlossen hast, sie aus ihrer Welt zu reißen und in deine zu verpflanzen.«
    »Doch, stell dir vor, das hatte ich. Und dir steht überhaupt kein Urteil zu. Du weißt nichts von ihr, und im Grunde weißt du auch nichts von mir. Du …«
    »Hört auf zu streiten«, fiel Miriam ihm ins Wort, so unerwartet scharf, dass Großmutter und Enkel für einen Augenblick verdattert schwiegen, ehe sie wie aus einem Munde erwiderten: »Wir streiten immer.«
    Miriam deutete ein huldvolles Nicken an. »Bitte. Aber

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