Hiobs Brüder
nicht meinetwegen.« Sie strich sich das Tuch hinters Ohr und sagte zu Matilda: »Er hat bekommen, was er wollte. Ich habe bekommen, was ich wollte. Und was immer es uns einbringt, wird nichts daran ändern. Ich weiß Eure Sorge zu schätzen, Madame. Aber sie ist verschwendet.«
Matilda legte einen Moment die Rechte auf Miriams Linke und drückte sie. »Also schön. Es ist nur … Du bist furchtbar jung, Miriam. Alan wird nicht immer hier sein können, um dir zur Seite zu stehen, und es wird nicht nur Freundlichkeit sein, der du hier begegnest.«
Alan trat hinter seine Frau und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Glaubst du, das wüssten wir nicht? Umso mehr hatte ich gehofft, dass wenigstens du ihr freundlich gesinnt sein würdest.«
Lady Matilda nickte. »Das bin ich, sei versichert.«
Alan hörte, dass sie meinte, was sie sagte. Erleichtert griff er nach dem Zinnkrug auf dem Tisch, schenkte die beiden Becher voll, die dabeistanden, und reichte jeder der Damen einen. »Das ist ja wohl auch das Mindeste«, antwortete er seiner Großmutter. »Denn im Grunde ist es deine Schuld, dass ich sie geheiratet habe. Schließlich warst du diejenige, die mich gelehrt hat, die Juden zu achten.«
»Ich hoffe, du willst mir jetzt nicht vorwerfen, dass du dich beim Fall von Worcester in Schwierigkeiten gebracht hast.«
»Nein.«
Er hasste es, an Worcester zu denken.
Es war zwei Wochen vor seinem neunzehnten Geburtstag gewesen, in den frühen Tagen des Krieges, und der junge Alan of Helmsby hatte gerade begonnen, sich als Kommandant einen Namen zu machen. Aber auf die Dinge, die geschahen, wenn eine Armee entfesselt und eine Stadt zur Plünderung freigegeben wurde, war er nicht vorbereitet gewesen. Es hatte ihn abgestoßen und angewidert und schockiert. Er wusste nicht, warum er ausgerechnet das Haus eines jüdischen Kaufmanns gegen die eigenen Truppen verteidigt und vier von Gloucesters Söldnern erschlagen hatte. Vielleicht war es nur ein Zufall gewesen. Vielleicht hatte sein Gewissen ihm auch zugeraunt, dass diese Fremden nichts mit dem Krieg zwischen König Stephen und Kaiserin Maud zu tun hatten. Jedenfalls hatte sein Onkel Gloucester ihm angedroht, ihn als Mörder und Verräter aufhängen zu lassen, und ihn dann eingesperrt, um ihn Gehorsam zu lehren. Erst als zwei der Juden von Worcester nach Bristol gekommen waren und dem erzürnten Earl berichteten, was sich genau zugetragen hatte, hatten die Wogen sich geglättet. Alan war keineswegs sicher, ob er ohne ihre mutige Fürsprache die Sonne je wiedergesehen hätte.
Das alles hatte er natürlich vergessen, als er auf der Straße in Norwich Josua ben Isaac begegnet war, und doch hatte er vom ersten Augenblick an Sympathie für den jüdischen Arzt empfunden. Von dessen Tochter ganz zu schweigen …
Er wusste nicht, was es zu bedeuten hatte. Ob es überhaupt etwas zu bedeuten hatte. Ob vielleicht alles, was sich zugetragen hatte, vorherbestimmt gewesen war.
»… deine Frau am Sonnabend mit zum Dreschfest ins Dorf nehmen, damit die Leute einen Blick auf sie werfen können und es keine Gerüchte gibt. Alan, du hörst mir nicht zu«, schalt Lady Matilda.
»Doch«, log er. »Aber was meine Bauern denken, ist wirklich meine geringste Sorge. Davon abgesehen, werden die Bauern wie üblich Guillaume folgen, und was er von der Sache halten wird …«
»Von welcher Sache?«, kam die Stimme des Stewards von der Treppe, und im nächsten Moment erschien Guillaume in der Halle. »Willkommen zu Haus, Alan.«
»Danke. Guillaume, das ist meine Frau. Miriam.«
Der Steward machte große Augen, verneigte sich ein wenig linkisch vor der neuen Dame der Halle und bemerkte dann: »Man kann dir wirklich nicht vorwerfen, du hättest bei deiner Wiedervermählung getrödelt, Vetter.«
»So wenig, wie man dir ein Übermaß an Taktgefühl vorwerfen kann«, gab Alan seufzend zurück.
Guillaume strich sich ein wenig verlegen über die Stirnglatze und schenkte der Braut dann ein entwaffnend zerknirschtes Lächeln. »Sagt nicht, Ihr habt nichts von seiner Scheidung gewusst, Mylady.«
»Doch, doch«, beruhigte sie ihn. »Alan ist gar zu besorgt um meine Gefühle.«
»Ich wette, das gibt sich mit der Zeit«, mutmaßte der Steward. »Miriam ist ein sehr hübscher Name. Ist es walisisch?«
Sie schüttelte den Kopf, zögerte einen Augenblick und sagte es dann. »Jüdisch.«
Guillaumes Züge erstarrten, aber er hatte sich sogleich wieder unter Kontrolle. Nur ein fast unmerkliches Verengen der
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