Hiobs Brüder
hergekommen. Das heißt, Ihr wollt auf mein Angebot eingehen. Also warum sparen wir uns das müßige Vorgeplänkel nicht einfach? Je eher wir uns wieder trennen, desto sicherer ist Euer Geheimnis.«
Herbinger schluckte und nickte unglücklich. Er war in Simons Alter, aber er wirkte noch jungenhaft mit seinen blonden Kinderlocken und dem spärlichen Bartwuchs. Er war auch kein sehr versierter Fechter und wartete bislang vergebens auf seinen Ritterschlag. Aber sein Dienstherr, Henrys jüngerer Bruder Geoffrey, liebte ihn innig, hatte Simon beobachtet. Und darum hatte er ihn auserkoren.
»Also?«, fragte Simon freundlich.
Herbinger streifte die Handschuhe ab, steckte sie an den Gürtel und rieb sich die Hände. Beinah sah es aus, als ringe er sie. »Ihr müsst ihn verstehen, de Clare, er ist es satt, auf Anjou zu warten und immer mit leeren Hände dazustehen, während sein Bruder Herzog der Normandie und Graf von Anjou ist. Henry täte das Gleiche, er ist auch nicht gerade ein Muster an Geduld.«
»Nein, ich weiß.« Simon legte dem Knappen beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Glaubt mir, ich weiß das genau. Und ich kann Geoffreys Beweggründe verstehen. Darüber hinaus ist mir bewusst, dass er seinen Bruder liebt und bewundert und niemals gegen ihn rebellieren würde. Seid Ihr beruhigt?«
Herbinger war alles andere, genau wie Simon beabsichtigt hatte. »Na ja … Ich würde nicht sagen, er rebelliert, aber … Wie gesagt. Er ist des Wartens müde. Er will Land und Macht wie sein Bruder, und wenn der sie ihm nicht gibt, muss er sie eben heiraten.«
Simons Herz schlug mit einem Mal schneller. »Und das bedeutet?«
Der Knappe senkte die Stimme zu einem heiseren Flüstern. »Er will ihr auflauern, bevor sie Poitiers erreicht.«
»Wo genau?«
»Das weiß ich nicht. Er hat es mir gestern Abend gesagt, als ich ihm nach der Jagd aus den Stiefeln half. Er hatte den Entschluss gerade erst gefasst und war ganz aufgeregt. Er hat es mir erzählt, weil es einfach heraus musste und weil er mir traut … Jesus Christus, was tu ich nur.« Herbinger raufte sich die Locken.
Simon klopfte ihm tröstend die Schulter. Er wusste, mehr war dem Mann nicht zu entlocken, doch das spielte keine Rolle. Er hatte, was er wollte. »Ihr erweist ihm einen Dienst, seid versichert. Ihr erweist genau genommen ganz Frankreich einen Dienst, denn wenn Geoffrey das täte, gäbe es Krieg zwischen ihm und seinem Bruder. Das wisst Ihr doch, oder? Sie gönnen einander nicht die Luftbläschen im Cidre. Und sie sind beide jähzornig und streitlustig. Ihr habt das Richtige getan.«
Herbinger, der eben noch mit den Tränen gekämpft hatte, atmete tief durch und nickte. Er war getröstet. Das war Simon immer ein Anliegen. Wenn möglich, entließ er seine Informanten mit dem Gefühl, etwas Nobles getan zu haben. Denn zufriedene Spitzel ließen sich wiederverwenden …
Simon trat einen Schritt zurück. »Habt Dank, Herbinger. Wegen unseres Geheimhaltungsabkommens kann ich Euch Henry nicht offen empfehlen, aber ich sorge dafür, dass Ihr diesen Schritt nicht bereut.«
Herbinger hing an seinen Lippen und wartete auf mehr. Denn der Handel, den sie vereinbart hatten, lautete auf Informationsaustausch. Simon ließ ihn noch einen Moment zappeln. Dann fuhr er fort: »Was die gewisse junge Dame betrifft, deren Vater Euch eine Heirat anbietet …«
»Ja?«, fragte Herbinger eifrig.
»Sie hat vorletzten Winter in einem abgelegenen Kloster in Nordengland einen Bastard zur Welt gebracht. Vermutlich war der Erzbischof von Rouen der Vater. Keine keusche Jungfrau also, als die ihr alter Herr sie feilbietet, aber eine hinreißende junge Dame, deren Fruchtbarkeit außer Zweifel steht. Wir alle haben gerade erlebt, wie wichtig dieser Punkt für das Lebensglück eines Ehepaares sein kann, nicht wahr?«
»Ihr denkt … Ihr meint, ich soll sie trotzdem heiraten? Obwohl sie unkeusch ist und ihr Vater mich betrügen wollte?«
»Betrügen ist ein sehr hartes Wort. Er hat nur getan, was jeder Vater täte. Das Geheimnis ist wohlgehütet. Es war nicht leicht, es herauszufinden, auch für mich nicht, obwohl ich bessere Beziehungen in England habe als die meisten hier. Ihr bräuchtet also keinen Skandal zu fürchten. Aber wenn ihr bei dem besorgten Vater anklingen lasst, dass Ihr die Wahrheit kennt, wird er die Mitgift vermutlich erhöhen.«
Herbinger strahlte wie ein beschenktes Kind, bedankte sich überschwänglich und verabschiedete sich – sehr viel fröhlicher als
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