Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
unbemerkt aus dem Haus schleichen, nach Turin fahren und den Mordanschlag auf Sabrina ausführen. Da er sie dort bereits besucht hatte, kannte er sich in der Klinik aus. Und er wusste von der roten Thermoskanne.«
»Natürlich, Fabri hatte ein Motiv, die Gelegenheit und die Ortskenntnisse. Wer denn sonst?«
»Genau. Hat man ihn erst mal im Verdacht, fügt sich alles zusammen. Luciana hat erzählt, dass Gianfranco den Reisepass mitgenommen hat. Kein Problem, Fabri musste ihn nur aus dem Nachtkästchen nehmen. Der zurückgelassene Ehering in der leeren Schatulle? Makaber, aber einfach, ich erwähnte es bereits. Fabri musste ihn nur der Leiche, die zu diesem Zeitpunkt noch im Gärtank lagerte, vom Finger ziehen und in der Schatulle deponieren. Der Streit mit seinem Vater um die richtige Philosophie des Weinmachens? Für Sie, Maresciallo Viberti, als Kenner der Szene ist der Generationenkonflikt unter Winzern ein bekanntes Phänomen …«
»Natürlich, ich erinnere mich an Elio Altare, der einst die großen Holzfässer seines Vaters mit der Motorsäge außer Betrieb gesetzt hat und prompt enterbt wurde.«
»Ein berühmtes Beispiel.« Hipp lächelte. »Eigentlich hätten Sie viel früher darauf kommen müssen.«
Viberti nahm ein Stück vom Taleggio und nickte. »Hätte ich, ja. Aber das Gleiche gilt auch für Sie, Professore.«
»So ist es. Aber Fabri hat uns geschickt an der Nase herumgeführt. Von wo hat Luciana den ersten Brief bekommen? Aus Turin. Fabri war in Turin, erst, um Sabrina zu besuchen, und dann, um sie umzubringen. Am Hospital hängt ein Briefkasten. Die Handschrift? Luciana hat sich ja nichts sehnlicher gewünscht, als eine Nachricht von ihrem Mann zu erhalten. Warum also sollte sie an der Authentizität Zweifel haben? Das rote Hemd auf dem Photo und der blaue Himmel? Ein guter Einfall. Fabri wusste, dass sein Vater keine roten Hemden hatte. Aber es dauert am Computer keine zehn Minuten, auf einem alten Photo die Farbe des Hemdes zu ändern und den Hintergrund. Die SMS an Gianfrancos Freundin in Asti und an sich selbst? Auch clever. Abgeschickt von einem Cellulare con scheda prepagata in Turin, in der Nacht des Mordanschlags, zwei Stunden nach Mitternacht.«
Viberti nahm einen Block aus seinem Jackett und machte sich Notizen.
Hipp fuhr fort: »Die anonyme E-Mail aus Venedig? Das muss man Fabri lassen, er war sehr mobil, weshalb er auch häufig müde wirkte. Mit welchem Auto er gefahren ist? Natürlich mit dem Alfa seines Vaters, wie schon am Tag des Unfalls. Die Nummer von Gianfrancos Kreditkarte bei der Hotelreservierung in Venedig? Nichts leichter als das. Der Barkeeper in Harry’s Bar, der Gianfranco gesehen hat? Diesen Barkeeper gibt es nicht. Das Attentat auf uns in Südtirol? Wir haben Fabri in Verona von unseren Plänen erzählt. Er musste nur seine Mutter nach Hause bringen und das Auto wechseln. Der Wagenheber? Finden Sie Gianfrancos Auto, ich bin sicher, dort fehlt er.«
Viberti räusperte sich und gestand: »Ich habe einen Strafzettel verschwinden lassen. Gianfranco ist in Südtirol zwischen Bozen und Meran am betreffenden Tag mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt worden.«
»Gianfranco? Sie meinen Fabri. Lassen Sie sich das Photo schicken, vielleicht erkennt man ihn darauf. Die Postkarte aus Südtirol, die uns Luciana gezeigt hat? Na klar, er war ja dort. Und er wollte den Verdacht einmal mehr auf Gianfranco lenken. Die Fingerabdrücke auf dem Jagdgewehr? Natürlich waren sie von Gianfranco, war ja seins. Und Fabri hat Handschuhe angehabt, deshalb die verwischten Stellen. Der Fehlschuss? Das Zielfernrohr war verstellt, das wäre Gianfranco nie passiert. Die Lackspuren von Gianfrancos Alfa? Aber natürlich, Fabri ist ja mit seinem Wagen gefahren.«
Maresciallo Viberti schob sich ein Stück Fontina in den Mund, ein feiner Käse aus dem Aosta-Tal.
»Ich glaube, das reicht«, sagte er nach kurzem Nachdenken. »Ich habe selten einen so klaren und in sich schlüssigen Fall erlebt. Obwohl ich schon sagen muss, dieser Fabri, er hat es einem nicht leicht gemacht.« Und mit Blick auf Sabrina. »Danken wir dem Herrn, dass die bella Signorina noch lebt.«
»Dem Herrn und Hipp«, flüsterte sie.
»Haben Sie noch Fragen zu Dr. Lausitz und den gestohlenen Weintransporten?«, wollte Hipp wissen.
»Nein«, antwortete der Maresciallo. »Hier verweise ich auf den entscheidenden Tipp, den wir von einem privaten Ermittler erhalten haben, der im Auftrag der Versicherung Erkundigungen angestellt
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