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Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale

Titel: Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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verknüpfte Erinnerungen mit ihm. Als Kind war Fabri in seinen Ästen herumgeklettert. Zu Pasquetta, dem »kleinen Ostern« am Ostermontag, hatte sich früher unter seiner weit ausladenden Krone die ganze Verwandtschaft traditionell zum ersten Picknick des Jahres versammelt. Damals, als die Großeltern noch lebten und Tante Alberta, die Schwester seines Vaters. In den mächtigen Stamm waren Herzen und Initialen geritzt. Sie reichten über Generationen zurück. Einige ließen sich mit etwas Phantasie und guter Kenntnis der Familiengeschichte noch heute zuordnen. Der Baum, er konnte romantische Geschichten aus der Vergangenheit erzählen. Daran, dass er auch seine Schattenseiten hatte, dachte nur selten jemand. Wie etwa an die Partisanen, die im Zweiten Weltkrieg an einem seiner großen Äste aufgehängt wurden.
    »Weißt du, dass ich hier zum ersten Mal deinen Vater geküsst habe?«, fragte Luciana, die neben ihrem Sohn auf einer Holzbank saß.
    »Ja, das weiß ich«, antwortete er. Um dann frech hinzuzufügen: »Vielleicht habt ihr mich hier sogar gezeugt?«
    »Aber Fabri«, reagierte sie entrüstet. »Woran du nur denkst, über so etwas spricht man doch nicht.«
    Amüsiert sah er, wie seine Mutter vor Scham errötete.
    »Jedenfalls danke ich dir, dass du diese Bank errichtet hast«, wechselte sie eilig das Thema.
    Er klopfte zufrieden auf das Holz. »Ist schön robust. Ich muss sie nur noch mit witterungsbeständiger Farbe anstreichen, dann ist sie fertig.«
    »Ob ich hier wohl mal zusammen mit Gianfranco sitzen werde?«, fragte Luciana nachdenklich. »Der Platz, er würde ihm gefallen.«
    »Warum nicht?«, sagte Fabri. »Ich bin mir sicher, er wird wiederkommen. Es dauert nur etwas länger, als wir ursprünglich gedacht haben.«
    »Wenn ich nur wüsste, was in seinem Kopf vorgeht. Ich verstehe ihn einfach nicht.«
    »Was heißt, du verstehst ihn nicht? Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Nein, aber er hat mir einen Brief geschrieben.«
    »Einen Brief?«
    »Ja, ich habe ihn dabei.« Luciana entnahm ihrer Handtasche einen Umschlag und reichte ihn ihrem Sohn.
    Fabri schaute zunächst auf den Poststempel. Turin. An das Schreiben war ein Photo geheftet. Es zeigte Gianfranco in einem roten Hemd, lächelnd, vor einem blauen Himmel.
    »Das Hemd ist neu«, sagte sie. »Gianfranco hatte nie rote Hemden. Aber er sieht gut aus, findest du nicht?«
    »Ja, es scheint ihm nicht schlecht zu gehen. Darf ich lesen?«
    »Natürlich. Ist zwar ganz privat an mich gerichtet, aber du bist immerhin unser Sohn.«
    Fabri las, wie sich sein Vater bei seiner Mutter entschuldigte, wie er versuchte zu erklären, dass er eine Pause brauche, dass er vorher nicht den Mut gehabt habe, mit ihr darüber zu sprechen, dass er sich deshalb einfach davongestohlen habe. Das mit dem Ehering tue ihm Leid, da habe er überreagiert. Er liebe sie immer noch, schrieb er. Auch Fabri, seinen Sohn. Aber sie müsse Verständnis für ihn haben, er komme wieder, wisse aber noch nicht, wann. Sie solle gut auf sich aufpassen und sich mit allen Problemen an Fabri wenden. Ihm gehe es gut, zum ersten Mal seit vielen Jahren. »Ti abbraccio e ti chiedo perdono, il tuo Gianfranco.«
    Fabri faltete den handgeschriebenen Brief zusammen, betrachtete noch einmal das Photo, steckte ihn wieder in den Umschlag und gab diesen seiner Mutter zurück.
    »Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist«, sagte sie. »Glaubst du, er hat eine Freundin?«
    »Eine Freundin? Papà? Nein, das glaube ich nicht.«
    Dass es in Asti eine Carlotta Benedotti gab, ließ er unerwähnt. Auch dass Maresciallo Viberti es für möglich hielt, dass sein Vater mittlerweile eine neue Liebschaft hatte.
    »Leider kann man auf dem Photo nicht sehen, wo er sich aufhält«, sagte sie.
    »In Turin. Jedenfalls war er da bis vor kurzem. Der Poststempel ist von dort. Außerdem habe ich eine SMS bekommen …«
    »Was hast du bekommen?«
    »So eine Textnachricht auf dem Telefonino, du weißt schon, die man auf dem Display lesen kann. Papà hat sie geschickt. Nur ganz wenige Worte, dass er eine Pause brauche, dass er uns liebe und dass ich dich in die Arme nehmen solle. Auch diese Nachricht hat er aus Turin geschickt.«
    »Woher weißt du das? Hat er das dazugeschrieben?«
    »Nein, aber Maresciallo Viberti hat die SMS zurückverfolgt, sie wurde in Turin abgeschickt.«
    »Was macht Gianfranco in Turin? Das ist doch wirklich keine schöne Stadt. Die viele Industrie. Und das Meer ist so weit weg. Du weißt doch, wie sehr es

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