Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
deine Emotionen?«, fragte sie unvermittelt.
Hipp lachte. »Heute Nacht hatte ich sehr starke Emotionen, wenn du das meinst. Auch vor wenigen Augenblicken, als ich dich in diesem aufreizend knappen Bikini von der Zehen- bis zur Nasenspitze …«
Sabrina schmunzelte. »Bis zur Nasenspitze?«
»Du hast eine sehr schöne Nasenspitze, sie ist nicht mehr so weiß wie im Krankenhaus. Zugegeben, ich bin emotional nicht ganz unbeteiligt, habe mich aber unter Kontrolle.«
Sie gab sich einen Ruck. »Also, was steht heute auf dem Programm?«
»Wir haben einen kurzfristigen Termin«, antwortete Hipp, dem der Themenwechsel gelegen kam. »Wir treffen jemanden um zwölf Uhr bei Zucca* in der Galleria Vittorio Emanuele. Ich habe die Nachricht erst vorhin erhalten.«
Sabrina zog fragend die Augenbrauen nach oben.
»Lass dich überraschen«, sagte Hipp.
»Ich hasse Überraschungen!«
»Bravo. Schon wieder etwas für die Liste deiner selbst herausgefunden Charaktereigenschaften.«
»Du willst mir wirklich nicht sagen, wen wir treffen?«
Hipp lächelte. »Nein, aber nicht aus Gemeinheit, sondern aus gutem Grund. Es wird interessant sein zu beobachten, wie du auf jemanden reagierst, den du kennen solltest.«
»Nun gut, einverstanden, dann spiele ich halt wieder mal das Versuchskaninchen.«
»So würde ich das nicht nennen.«
»Haben Versuchskaninchen bei der Gestaltung des Experiments eigentlich irgendein Mitspracherecht?«, fragte sie.
»Üblicherweise wohl weniger, aber bei dir mache ich womöglich eine Ausnahme.«
»Auf unserer Tour der Erinnerungen steht als nächstes Venedig auf dem Programm, oder?«
»Erst Franciacorta, dann der Gardasee und schließlich Venedig, richtig.«
»Ich möchte vorher einen Abstecher nach Südtirol machen«, sagte sie.
»Warum? Du warst dort nur einmal als kleines Kind.«
»Mag sein, aber meine verstorbene Mutter stammte aus Südtirol. Stimmt doch, oder?«
»Korrekt, und zwar aus der Gegend bei Naturns. Dort hat sie dein Vater anlässlich eines Geschäftstermins kennen gelernt, sie ist mit ihm nach Amerika gereist, sie haben nach kurzer Zeit geheiratet, und neun Monate später bist du auf die Welt gekommen.«
»Wie sich das in einer katholischen Familie gehört.«
»Aber du hast in Südtirol keine Verwandtschaft mehr, das weißt du? Deine Großeltern sind schon vor deiner Geburt gestorben. Deine Mutter hatte keine Geschwister. Es gibt nach den Unterlagen deines Vaters weder Onkel und Tanten noch irgendwelche Vettern oder Cousinen. Und erinnern wirst du dich auch an nichts.«
»Trotzdem«, beharrte Sabrina auf ihrem Vorschlag. »Ich möchte dorthin, wo meine Mutter geboren wurde, möchte die Luft atmen, die Hügel mit den Burgen und Schlössern sehen, die mittelalterlichen Orte mit ihren Laubengassen, die Dolomiten …« Sie zeigte Hipp ein Magazin, in dem sie offenbar gerade geblättert hatte. »Schau her, das ist der Kalterersee, sieht herrlich aus. Und das hier«, sie deutete begeistert auf ein Photo, »das ist die alte Kirche von Naturns. Vielleicht wurde meine Mutter hier getauft. Könnte doch sein?«
»Ja, könnte sein. Dort willst du also hin?«
»Nach Südtirol, nur ganz kurz, für ein oder zwei Tage«, bettelte sie.
»Da spricht nichts dagegen«, ging Hipp auf ihren Wunsch ein. »Außerdem gibt es dort gute Weine, die es sich immer zu verkosten lohnt.«
»Genau, auch das steht in diesem Artikel. Der Vernatsch* soll gut sein, auch der Lagrein*.«
»Stimmt, und der Blauburgunder. Nicht zu vergessen die Weißen wie Gewürztraminer*, Pinot Bianco oder Sylvaner.«
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M it einer Länge von knapp über zwanzig Metern war Lausitz’ Yacht eines der kleineren Schiffe, die an diesem herrlichen Vormittag in der Cala di Volpe ankerten. Wie in jedem Sommer hatten sich zur Hochsaison die Schönen und die Reichen an der Costa Smeralda eingefunden, um sich den Strapazen der High Society zu unterziehen. Also etwa mit dem Jetski die eigene Yacht zu umrunden, zum Champagnerfrühstück aufs Sonnendeck zu laden, sich mit anderen Prominenten für die Klatschpresse photographieren zu lassen oder im Billionaire bis in die Morgenstunden zu feiern. Lausitz war vor einigen Tagen mit seiner Yacht von Punta Ala in der Toskana hinüber nach Sardinien gefahren. Sein Schiff hieß
Brunello
und verfügte als Besonderheit über einen klimatisierten und exquisit sortierten »Weinkeller«. Seine gelegentlichen Einladungen zu Degustationen in der »Cantina di Brunello« erfreuten sich auch beim Jetset
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