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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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Spüle, wischte über den Tisch, hin, her, hin. Man musste nicht studiert haben, um zu verstehen, warum Matthias ihr den Kontakt mit Silvie verbot. Nicht verstehen im eigentlichen Sinne, aber seine Gedanken konnte sie nachvollziehen. Er wollte sein Gesicht nicht verlieren, so sah es aus. Früher, da hatte er nichts gehabt gegen die Familientreffen, bei denen er gut wegkam im direkten Vergleich mit Johannes. Johannes, der noch immer aussah wie ein Student, in seinen Flanellhemden und Red Wings. Matthias dagegen stellte etwas dar. Und dass die beiden nun nicht das Haus vorne an der Straße gekauft hatten, das war für ihn der Gipfel gewesen. Dabei ahnte Silvie gar nicht, wie es finanziell um sie stand. Und sie selbst wollte es gar nicht wissen. Dass es schlimm war, ahnte sie. Bestimmt sehr schlimm sogar. Warum sonst war Matthias wohl so nervös? Und wenn die Geldsorgen nicht so erdrückend wären, könnte sie mit den Kindern bestimmt besser umgehen. Viel besser. Aber so? Wenn man Sorgen hatte, dann hatte man keinerlei Geduld. Und auch wenn Silvie entsetzt darüber war, dass er sie nicht aus dem Haus ließ – im Grunde kam es ihr entgegen. Matthias war seit neuestem bei den Kindern viel mehr mit im Boot als früher. Seit ihre Eltern nach ihrer OP die Kinder wieder zurückgebracht hatten, brachte Matthias Emma und Clara morgens in den Kindergarten und holte sie mittags in seiner Mittagspause wieder ab, statt zu Giovanni zu fahren. Zwar warf er ihr täglich einen verächtlichen Blick zu, aber der prallte an ihr ab. Endlich hatte sie mal Zeit für sich und nicht diesen Stress beim Bringen und Abholen. Konnte das Haus putzen, bis es glänzte, und nach ihrem Mittagsschlaf bekamen Emma und Clara eben eine halbe Tablette. Ein Segen. Warum sollte sie rausgehen? Freunde hatte sie sowieso keine. Christine Brückner hatte ein paar Mal bei ihr geklingelt, aber sie hatte nicht geöffnet. Die konnte ihr gestohlen bleiben, wollte doch sowieso nur einen Blick auf ihren kahlen Schädel werfen, von dem sie mit Sicherheit durch die Kinder gehört hatte. Kinder redeten doch. Matthias brauchte sich gar nicht einzubilden, dass die Leute nichts mitbekamen, nur weil er sie nicht aus dem Haus ließ. Viel eher war es doch so, dass sie das Schlimmste befürchteten. Andererseits, die abrasierten Haare ließen sich nicht anders erklären, als dass sie verrückt war. Oder doch krank. Oder beides. Gegen eine Krankheit hatte sie gar nichts. In gewissem Sinne hatte es Vorteile, krank zu sein. Aber natürlich kein Krebs, sondern etwas, woran man nicht starb. Diabetes vielleicht. Krank genug, um sich schonen zu dürfen.
    Obwohl, wenn sie an das Drama mit den Kindern dachte, als ihre Eltern sie zwei Tage nach ihrem Krankenhausaufenthalt zurückgebracht hatten. Die Eltern waren sogar wegen der Wutausbrüche am Abend mit Emma und Clara beim Arzt gewesen. Der hatte gefragt, ob sie möglicherweise sonst Medikamente bekämen, wegen der Hyperaktivität. Anna hatte verneint. Es war doch nur eine halbe Tablette, die sie ihnen gab. Eine halbe Tablette am Abend, die ihr Übriges tat. Andere gaben ihren Kindern Ritalin, das hatte in etwa den gleichen Effekt, und sie ersparte ihnen lange nichtsnutzige Untersuchungen und Tests. Es wusste doch ohnehin jeder, dass mit den beiden etwas nicht stimmte. Und da sie sich zwei Hausärzte besorgt hatte, einen regulären in Bad Homburg, der ihr ein Kassenrezept ausstellte, und einen in Oberursel, von dem sie Privatrezepte erhielt, kam sie leicht an Nachschub. So wanderte sie alle vier Wochen mit einem Rezept aus jeder Praxis – je höher die Dosis, desto weniger quälende Gedanken. Und sie zählte weniger. Nicht, dass sie grundsätzlich etwas gegen das Zählen hatte, es brachte ihr innere Ruhe, die sie bitter nötig hatte. Manchmal hielt es sie aber auch vom Denken ab. Und denken musste sie ja! Besonders darüber nachdenken, wie sie an die Rezepte kommen sollte, wenn sie nicht aus dem Haus durfte. Mittlerweile reichte ein Päckchen ohnehin nicht mehr für zwei Wochen, was dumm war. Und gerade heute hatte sie bemerkt, dass auch ihr Reservepäckchen fast leer war. Sie wusste gar nicht, wie es zugegangen war! Nachdenkend lief sie umher, stapelte die Wäsche, polierte Pflanzenblätter und rief schließlich, als sie sich ruhig genug fühlte, in den Praxen an und bat um eine ausnahmsweise Rezeptzustellung per Post – sie konnte ja nicht aus dem Haus. Wenn sie morgen ein neues Rezept hatte, war alles gut.
    »Das geht nicht«, bekam

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