Hirngespenster (German Edition)
Stadtentwicklung oder auch mal ausnahmsweise über die Schwierigkeit, einen guten Krippenplatz zu finden. Dazwischen ließ er gern kleine Anspielungen auf unser nächstes Stelldichein im Hotel fallen, aber manchmal hatte ich fast den Eindruck, als tue er dies, um sich selbst daran zu erinnern, weshalb wir eigentlich zusammensaßen. Oft brachte er mich zum Lachen mit kuriosen Versicherungsfällen oder mit Erzählungen davon, wie die Leute, die er zu Hause aufsuchte, eingerichtet waren.
»Wie bist du eingerichtet?«, fragte er einmal, und ich hob die Augenbraue. »Ist das nicht zu privat?«, neckte ich ihn, und er bekam rote Ohren. Ich gestand ihm, dass ich, seitdem ich Mutter war, hausfrauliche Qualitäten entwickelte, die mir vorher völlig abgegangen waren. Dass ich auf Schränken wischte und auf Türrahmen und mich über Wollmäuse unter dem Bett ärgerte. Er lachte darüber und flüsterte: »Für mich gibt's nichts Befriedigenderes als eine blankpolierte Spüle.« Ich grinste. »Magst du auch frische Bettwäsche?«
»Was meinst du, warum ich so gerne ins Hotel gehe? Frische Bettwäsche macht mich scharf.«
Allein seine Worte machten mich scharf, und ich betrachtete seine Hände, die ich gerne zwischen meinen Beinen gehabt hätte.
Manchmal gingen wir zusammen einkaufen. Mal brauchte er einen Anzug für ein Event in seiner Firma, mit dem er seriös, aber nicht spießig aussehen sollte. Modern, aber nicht flippig. Ein anderes Mal eine neue Jeans. Wir zogen durch die Kaufhäuser und Boutiquen und gingen gemeinsam in die Umkleidekabine, in der er dann schwarzbesockt die Hosen wechselte, während ich mit einer Hand in seine Boxershorts griff und seine Hoden umfasste. Danach musste er immer ein paar Minuten warten, bis er sich aus der Kabine herauswagte, um sich im Spiegel zu begutachten.
Zwei Monate ging das so, bis der Entbindungstermin immer näher rückte – an meinem wachsenden Bauch schien er sich nie zu stören. Manchmal lachte er lauthals, wenn ich auf dem Rücken lag und das Baby in meinem Bauch einen Purzelbaum schlug, der Bauch von einer Seite zur anderen wogte wie eine überschwappende Welle. Ich fragte ihn einmal, ob er bei seinen eigenen Kindern auch so fasziniert von der Schwangerschaft seiner Frau gewesen sei – doch er legte mir als Antwort seinen Finger auf die Lippen. »Keine Fragen mehr, wir wissen schon genug voneinander«, hauchte er und gab mir einen Kuss.
Hatte ich mich in ihn verliebt?
Ich glaubte nicht. Er brachte mein Herz in Wallung, ja. Ich spürte endlich mal wieder, dass ich lebte. Ich dachte, es läge am Sex. Wenn ich mich mit ihm traf, hatte ich einen starken Orgasmus sicher. Aber meine Hoffnung war ja, dass es zwischen mir und Johannes wieder aufwärtsging – im wahrsten Sinne des Wortes –, sobald das zweite Kind da war.
Ein schlechtes Gewissen hatte ich Johannes gegenüber selten. Manchmal überkam es mich zwar – aber irgendetwas in mir war davon überzeugt, dass es Johannes im Grunde scheißegal war, ob ich mit einem anderen Mann schlief. Es gab Momente, da war ich davon überzeugt, dass auch er mich betrog. Natürlich wäre ich nie im Traum darauf gekommen, mit wem. Er kam sehr häufig spät nach Hause und duschte dann noch. Das hatte er früher nie getan. Aber neben all diesen Überlegungen und dem Umzug, den wir zwischendurch bewältigt hatten, war ich so abgelenkt durch diese Sache mit Anna, dass ich ohnehin kaum klar denken konnte.
Zuerst zerbrach ich mir den Kopf darüber, wann endlich die erlösende Nachricht käme, dass sie keinen Krebs hatte. Bis eine Woche nach der OP mussten wir darauf warten, dann kam die Entwarnung: Die Ärzte hatten das veränderte Gewebe vollständig entfernen können, und Anna hatte nichts weiter zu befürchten. Der Laborbefund ergab, dass es nichts Bösartiges gewesen war. Sie musste lediglich öfters kontrolliert werden, das war's aber auch schon.
Ich rief sie an, um ihr zu gratulieren, und wir redeten eine Weile, aber sie war nicht bei der Sache. Matthias sei noch immer sauer wegen ihres kahlen Schädels und habe ihr verboten, aus dem Haus zu gehen. Offenbar hatte sie ihn inzwischen darüber aufgeklärt, dass das ihr Werk gewesen war – und nicht meines.
Ich sagte: »Da hältst du dich doch wohl nicht dran? Mit mir darfst du nichts zu tun haben, und aus dem Haus darfst du auch nicht mehr?« Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.
»Was soll ich denn machen?«, rief sie. »Er ist stinksauer, dass ich alle verrückt gemacht
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