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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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möchte. Den Fotoalben im Keller bin ich zum Beispiel noch keinen Tick näher gekommen. Ich habe sie nach Sabinas und meinem Spaziergang prompt wieder vergessen, und seither, wann immer ich zur Wohnungstür laufe und dagegenhämmere, sagt Sabina: »Mich kriegst du nicht noch mal dran!«, und wedelt mit dem Zeigefinger. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich ein wenig Zinnober veranstaltet habe, als wir vor unserem Spaziergang an der Kellertür vorbeikamen, unten im Hausflur. Und es mag sein, dass ich auch bei unserem Rundgang noch recht ungehalten war. Aber schließlich vergaß ich es doch, und ich trottete friedlich neben ihr her. Kein Grund, so nachtragend zu sein.

Anna
    Der Fund, den Anna unter den Rezepten im Internet gemacht hatte, hatte ihre Gedanken von den Rasierklingen ablenken können. Erstens war da die ganze Sauerei. Und dann brauchte man auch ruhige Hände dafür. Seitdem sie andere Pläne hatte, war sie auch von den Briefen über säumige Zahlungen und Gerichtstermine abgelenkt gewesen. So waren etliche Tage vergangen, an denen sie sogar in der Lage gewesen war, ausgiebig zu baden und sich sogar einmal zu schminken. Doch gerade heute hatte sie den Fehler begangen, ihrem Drang nachzugeben und sich die Post auf Matthias' Schreibtisch einmal genauer anzusehen. Was im Grunde genommen dumm war, denn gerade in den letzten Tagen war sie zur Ruhe gekommen. Sie konnte ein Buch zur Hand nehmen und es sich mit einer Decke in ihrem Sessel vor dem Wohnzimmerfenster bequem machen. So auch heute – trotz des Fundes auf seinem Schreibtisch.
    Ihre Silhouette spiegelte sich in den großen Scheiben ihres Wohnzimmerfensters, und sie warf sich selbst einen abschätzenden Blick zu. Ihr Haar war gewachsen, sie trug nun eine flotte Kurzhaarfrisur, die ihr Puppengesicht, wie Silvie es nannte, gut zur Geltung brachte und sie keck wirken ließ.
    Zurzeit zählte sie kaum. Oder so leise in ihrem Kopf, dass es manchmal lediglich etwas wie Hintergrundmusik war, etwas, das man gar nicht bemerkte, wenn man nicht genau die Ohren spitzte. An die Rezepte für ihre Pillen kam sie mittlerweile leicht: Sie hatte sich ein kleines Netzwerk aus Ärzten aufgebaut, kein Arzt wusste vom anderen. Den in Oberursel hatte sie nie wieder aufgesucht. Sie gab sich überall als Privatpatientin aus; die Privatrechnungen zahlte sie ohne mit der Wimper zu zucken vom Konto. Die tägliche Übelkeit, mit der sie zu kämpfen hatte, war ein Preis, den sie gerne zu zahlen bereit war, dafür, dass es ihrem Kopf besserging. Einmal war Matthias ihr nahegerückt, hatte gefragt, wofür sie das viele Geld in die Apotheke trug. Sie hatte sich an den Kopf getippt und gesagt: »Für den hier« – das hatte ihm das Maul gestopft. Zwischenzeitlich hatte sie auch einen Weg gefunden, Emma und Clara einigermaßen im Zaum zu halten. Neben der halben Tablette für die beiden ließ sie sie täglich an den Computer. Erstaunlich, wie flink die kleinen Kinderhände die Pfeiltasten bedienen konnten. Benjamin Blümchen, Hase Felix und Lauras Stern waren im Angebot. Stundenlang konnten die beiden sich damit beschäftigen. Luna saß in ihrem Zimmer und malte und summte, und sie selbst konnte putzen und räumen. Abends gab es Nudeln mit Butter, die konnte sie im Schlaf.

    Sie wollte eben einen Blick in das Buch werfen, als Matthias aus seinem Arbeitszimmer die Treppe heruntergelaufen kam und mit einem Briefumschlag vor ihrer Nase herumwedelte.
    »Warst du an meiner Post?«, fragte er lauernd, und die tiefliegenden Augen musterten sie feindselig.
    Natürlich war sie an seiner Post gewesen, am Nachmittag, hatte die Briefe geöffnet, sie überflogen, aber kein Wort verstanden von dem, was dort stand, weil sie dumm war. »Briefe muss man aufmachen«, murmelte sie und schlug die Decke enger um sich.
    »Das ist das Allerletzte!«, bellte er. »Das ist meine Post! Es steht mein Name drauf! Und ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst meine Post nicht lesen!«
    Anna senkte den Blick und fingerte an den Fransen ihrer Decke. »Ich habe sie nicht gelesen, nur aufgemacht.«
    »So? Dann kapier ich erst recht nicht, was das soll! Jetzt weiß ich doch nicht mehr, was ich schon gelesen hab und was nicht. Wie blöd kann man denn sein?!«
    Dabei hatte er doch seit Wochen nichts geöffnet – er brauchte nur auf die Poststempel zu schauen. Aber wenn sie das sagte, passte es ihm garantiert auch wieder nicht. »Ich klebe sie wieder zu, wenn du willst«, sagte sie. Ein gutgemeinter Vorschlag, doch

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