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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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zu sein. Er trat einen Schritt vor und nahm sie in den Arm. Anne, die ein gutes Stück kleiner war als er, legte ihren Kopf an seine Schulter. Sie hörte, wie er tief einatmete.
    »Ich rieche nicht so gut, ich hatte heute einen anstrengenden Tag. Ich war in den Bergen, ich …«
    »Du riechst wie eine Blume«, unterbrach er sie. Johanns Körper fühlte sich müde an. Er steckte seine Nase in Annes Haar. Er küsste sie hinters Ohr. Johann nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf den Mund. Ihre Zungen spielten miteinander, umarmten sich. Seine Hände glitten von Annes Wangen, an Hals, Schultern und Brüsten vorbei hinunter bis zur Hüfte. Dort ertasteten sie das Ende von Annes beigefarbenem Trägertop und schoben es vorsichtig nach oben. Annes ganzer Körper flirrte. »Die Tür«, flüsterte sie. Während Johann das Oberteil weiter hochschob, gab er der Tür mit dem linken Fuß einen kräftigen Schubs.
    Jetzt berührten seine Hände ihre Brüste. Zärtlich. Anne trug keinen BH . Sie fühlte sich so schön wie lange nicht. Ihre Brustwarzen wurden hart. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Johanns Hals. Auch er roch nach den Anstrengungen des Tages. Aber sie mochte seinen Geruch. Johann küsste ihren Mund, dann ging er in die Knie, liebkoste ihre Brüste und schob Annes weiße Freizeithose vorsichtig so weit hinunter, dass sie von selbst auf den Boden fiel. Seine rechte Hand glitt unter Annes rüschenlosen Slip und bis zwischen ihre Beine. Ihr Herz galoppierte. Als Johanns Finger die empfindsamste Stelle ihres Körpers berührten, hörte sie sich selbst atmen, heftig, schnell, als bestiege sie erneut einen Berg.
    Es wurde keine Nacht der Gespräche. Anne und Johann wechselten kaum mehr als fünf Sätze. Er erzählte nichts von seinem Tag in Berlin. Nur einmal sagte er: »Was Menschen einander alles antun.« Aber er schien darauf keine Antwort zu erwarten. Auch Anne behielt die Erlebnisse des Tages und die Ergebnisse ihrer Ermittlungen für sich. Am Morgen gingen sie auseinander, nachdem sie mit einer erstaunten Lisa gefrühstückt hatten. Aber Annes Tochter hielt den Schnabel. Die Stimmung am Frühstückstisch war zart und durchlässig wie eine Wand aus Seidenpapier.

Freitag

    Ihre tägliche Laufrunde, die vom Hotel in den Wald führte, absolvierte Anne wie in Trance. Keine besonderen Vorkommnisse. Über Nacht hatte es geregnet, der Waldboden fühlte sich an wie eine Weichbodenmatte, der Morgennebel war aus Watte. Sie betrat die Polizeidienststelle mit einem Beatles-Lied auf den Lippen – »Love, love me do«. Aber Anne selbst bemerkte das gar nicht. Sie hätte auch nicht erklären können, wie das Lied plötzlich in ihren Kopf gelangt war. Anne dachte nichts, sie fühlte nur. Der Kollege im Eingangsbereich schüttelte verwundert den Kopf. Anne unterbrach ihren Gesang, um ihn mit einem kurzen »Hi« zu grüßen. Wenn es so etwas wie das personifizierte Glück gab, dann war sie das an diesem Morgen.
    Umso ätzender traf sie die Realität. Im Dienstzimmer stand Kastner und telefonierte. Anne ignorierte sein angestrengtes Gesicht nicht absichtlich. Sie sah es einfach nicht. Doch dann legte Kastner den Hörer auf und sagte ernst: »Jetzt haben wir noch ein Problem am Hals.«
    Anne reagierte noch immer nicht. Ihr Glück wurde durch einen zarten Vorhang geschützt. Sie ging zum Wasserhahn und füllte die kleine Gießkanne. Während sie wie benommen zum Fenster lief, um den Büropflanzen Wasser zu geben, folgte Kastner ihr mit ernstem Blick und sagte: »Das war fei der Schönwetter. Da gibt’s einen komischen Todesfall im Kreiskrankenhaus: ein junges Studentenpaar, das bei uns auf Urlaub war.« Er zögerte und sah Anne böse an. »Ja, sag einmal, hörst du mich eigentlich?«
    »Ja, ja«, hauchte Anne und lächelte. Es musste dämlich aussehen. Ohne es zu bemerkten, summte sie schon wieder »Love, love me do«.
    »Zwei so Studenten sind gestern ins Krankenhaus eingeliefert worden. Das sah zunächst alles harmlos aus: Fieber, Erbrechen, Durchfall. Nix Besonderes. Aber dann ist die Frau über Nacht gestorben. Einfach so.«
    »Und was haben wir damit zu tun?«, fragte Anne, als hätte ihr Kastner gerade gesagt, dass in der Hallertau über Nacht ein Sack Hopfen umgefallen sei.
    »Bist du besoffen?« Kastner musterte Anne mit einem Kontrollblick.
    »Nein«, erwiderte Anne, es war beinahe gekiekst.
    »Könnte man aber meinen …« Kastner schaute auf die Notizen, die er sich während des Telefonats

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