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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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vom Markt nicht vergessen. Nicht ihre Geräusche, nicht den Geruch danach. Es hat das Blut nicht vergessen, das an Mutters Armen heruntergeronnen ist. Nicht die vielen Menschen, die sie im Findelhaus gequält haben. Für das Mädchen gibt es nur zwei Wörter, die sich ständig durch ihren Kopf winden: nie wieder.

13. Kapitel
    Magda durchwühlte die Schubladen, warf den gesamten Inhalt auf den Boden, stopfte danach alles wahllos wieder hinein. Sie musste das vermaledeite Medaillon finden. Melchior hatte es versteckt, wollte es irgendwann veräußern, aber das ging nicht. Es musste verschwinden, so rasch wie möglich. An dem Medaillon klebte Blut. Sehr viel Blut. Es würde großes Unglück über das Haus des Baders bringen, wenn sie es hierlassen würden. Keiner durfte merken, dass es in ihrem Besitz war. Es fehlte auch die Kette, und es fehlte, was darin war. Das hatte Friso wütend gemacht, und es war der einzige Moment gewesen, in dem sie sich ihm in der Nacht überlegen gefühlt hatte. Er war es gewesen, der es aufgeklappt hatte, er, dem das Entsetzen übers Gesicht gekrochen war wie eine giftige Schlange, als er bemerkte, dass es leer war. Nicht Melchior hatte den Inhalt an sich genommen, das wurde Magda in diesem Augenblick klar.
    Sie war froh, dass der Mann tot war, dass er ihr nichts mehr antun konnte. Nie wieder. Ihr nicht und auch keinem anderen Menschen auf der Welt. Wenn es so etwas wie Gerechtigkeit gab, würde Friso einem Richter gegenüberstehen, der hoffentlich keine Milde walten lassen würde. Es gab Menschen, für die war der Tod nicht schlimm genug.
    Magda ging ins nächste Zimmer, warf auch hier den Inhalt der Schubladen auf den Boden. Irgendwo musste ihr Mann das Medaillon doch gelassen haben. Sie würde es finden und dann versenken, damit es zukünftig keinen Schaden mehr anrichten konnte. Denn es war verflucht. Von seiner Entstehung an.
    Der Wortsammler war schwer. Jan brach unter der Last beinahe zusammen. Der Knabe wimmerte wie ein kleines Kind, er war nicht Herr seiner Sinne. Trotz der Markierungen in den Bäumen hatte Jan sich verlaufen, war den ganzen Tag umhergeirrt, immer mal wieder auf ein Zeichen gestoßen und hatte doch ständig die Orientierung verloren.
    Nun brach die Nacht herein, und er war sich noch immer nicht klar darüber, in welche Richtung er gehen sollte. Zuerst hatte er versucht, sich am Stand der Sonne zu orientieren und so zurück nach Hause zu finden. Die Wege aber verliefen häufig ins Nichts oder endeten im großen, dunklen Sumpf, dass es einfach unmöglich war. Ein Fehltritt genügte. Ein Ausrutscher. Einmal nicht ganz genau hinsehen.
    Um Jan herum roch es faulig, und es schien dem jungen Arzt, als sei das ein Synonym dafür, wie kurz er und die Welt um ihn herum vor dem Abgrund standen. Es war das eigene Leben, was ihm Kummer bereitete, es war das Hiskes und das des Wortsammlers. Hinzu kamen die vielen Krankheiten, die um sich schlugen, als wüte ein ganzes Heer mit ihren Lanzen. Angefangen beim Marschenfieber, weiter über Cholera und Typhus und die immer wieder drohende Pest, vor der es kein Halten gab. Er war ein so kleines Licht, und man erwartete von ihm dennoch, dass er sich diesen ganzen Problemen mit aller Gewalt entgegenstellte und sie auch in den Griff bekam.
    Nun aber musste er erst aus diesem vermaledeiten Sumpf herausfinden. Noch eine weitere Nacht hier konnte sie das Leben kosten. Das des Wortsammlers schien sich ohnehin zu verflüchtigen wie das schwindende Tageslicht, das auch von den aufkommenden Nebelschleiern immer stärker erdrückt wurde. Obwohl Jan nicht mehr viel Zeit blieb, den Weg hinaus zu finden, brauchte er eine Pause. Seine Schultern waren müde, die Kehle trocken. Er wagte nicht, allzu viel zu trinken, weil er für den Knaben noch genug haben wollte. Nur so konnte der überleben. Er brauchte ausreichend Wasser, und das aus dem Moorsee war ungenießbar. Doch in der Not fraß der Teufel Fliegen, und so würde er auch dieses modrige, faulige Wasser in sich hineinkippen, bevor er und das Kind verdursteten.
    In Jans Kopf hämmerte nur ein Wort: überleben!
    Er legte die Decke auf eine trockene Stelle, verscheuchte die gierigen Mücken, die sie in großen Schwärmen umkreisten und sich über das Blut freuten, das ihnen auf so unverhoffte Weise zuteilwurde. Das Summen erschien ihm mittlerweile vertraut, fast wie ein Schlaflied. Es summte mal laut, mal leise. Hin und wieder krabbelte eine Mücke in sein Ohr. Sie tauchte den Rüssel in sein

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