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HISTORICAL Band 0264

HISTORICAL Band 0264

Titel: HISTORICAL Band 0264 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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abzuschätzen, schnelle Entscheidungen zu treffen und seinem Urteilsvermögen zu vertrauen. Jetzt sah er, wie sein alter Freund mit kerzengeradem Rücken und steifen Schritten den Raum verließ. Gregory kochte ganz offensichtlich vor Wut. Allmählich fragte er sich, was für ein Mensch Sally Bowes war, dass ihr die Loyalität aller Leute zuflog, mit denen sie zu tun hatte. Vielleicht wurde es langsam Zeit, dem auf den Grund zu gehen.
    „Komm“, sagte er und leerte sein Glas mit einem Schluck, „lass uns wieder zu den Damen gehen. Ich möchte mit Sally sprechen.“
    „Moment, alter Knabe!“, protestierte Stephen. „Es sind erst zehn Minuten seit dem Essen vergangen! Die wollen dich bestimmt noch nicht sehen. Außerdem ist das keine Art, mit meinem besten Wein umzugehen …“
    Aber es war zu spät. Jack war bereits fort.
    „So, meine Liebe.“ Lady Ottoline klopfte auf den freien Platz neben sich. „Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir.“ Sie zeigte auf die Spielkarten auf dem Tisch. „Spielen Sie?“
    „Ein wenig“, erwiderte Sally und dachte besorgt an die Spieltische im Blue Parrot. Wie Dan wohl in ihrer Abwesenheit zurechtkam? Sie vertraute ihm voll und ganz, aber die Wiedereröffnung des Purpursalons in nur wenigen Tagen machte sie nervös.
    „Dann könnten wir später ja vielleicht eine Partie Baccara spielen“, schlug Lady Ottoline vor. „Aber erst möchte ich mich mit Ihnen unterhalten, über Sie und über Jack. Er hat mir erzählt, er hat Sie in der Wallace Collection kennengelernt?“
    „Ja, das stimmt.“ Sally fragte sich, wie viele Lügen und wie viel Wahrheit Jack miteinander vermischt hatte, um ihre Beziehung zu beschreiben.
    „Nun, dann müssen Sie ja zumindest kulturbewusst sein“, stellte Lady Ottoline fest. „Buffy, der derzeitige Duke, ist ein absoluter Banause. Aber Jack hat das Zeug zu einem guten Hüter der Kestrel-Sammlung, solange sein Cousin sie nicht verkauft, ehe Jack sie erbt.“
    „Der Duke hat keine eigenen Kinder?“, wollte Sally wissen.
    „Nein.“ Lady Ottoline warf ihr einen scharfen Blick zu. „Buffy hat für Frauen nichts übrig. Robert, Jacks Vater, ist der Erbe des Titels und Jack nach ihm.“
    „Ich verstehe.“ Sally dachte, dass Jack Kestrel tatsächlich eine blendende Partie war für eine Frau – vorausgesetzt, sie war bereit, seine üblen Launen und seine Unfähigkeit zu lieben in Kauf zu nehmen.
    „Ich hoffe, Sie tun jetzt nicht so, als hätten Sie nicht gewusst, dass Sie sich den Erben eines Herzogtums geangelt haben?“, bemerkte Lady Ottoline verdrießlich.
    „Das ist mir eigentlich ziemlich gleichgültig“, sagte Sally ganz offen. „Wenn ich mich entschließe zu heiraten, dann zählt für mich der Mann selbst, nicht sein Titel oder sein Geld.“
    Lady Ottolines gezupfte Augenbrauen schossen nach oben, bis sie fast ihr Diamantdiadem berührten. „Tatsächlich!“
    „Da ich schon einmal verheiratet war“, fuhr Sally fort, „muss ich bei meiner nächsten Wahl äußerst vorsichtig sein.“ Plötzlich fühlte sie sich kühn und waghalsig. Wenn es ihr gelang, Lady Ottoline so zu schockieren, dass diese sie ablehnte, geschah das Jack nur ganz recht. „Ich möchte nicht wieder einen so entsetzlichen Fehler begehen wie beim ersten Mal“, sagte sie. „Daher ist die Auswahl eines neuen Ehemanns für mich von äußerster Wichtigkeit. Er muss unbescholten und geistreich sein, treu, ehrenhaft – und er darf mich niemals langweilen. Das ist alles, was ich verlange.“
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Sally nahm sich ein Bonbon vom Teller auf dem Tisch und wagte unter halb gesenkten Lidern her einen verstohlenen Blick auf Lady Ottoline. Die alte Dame betrachtete sie mit einem sehr wachsamen Ausdruck in ihren dunklen Augen.
    „Ich verstehe.“ Sie runzelte leicht die Stirn. „Ihr Name kommt mir bekannt vor, Miss Bowes. Wie kann das sein?“
    Sally sah zu Jack hinüber. Er und Stephen hatten sich nur unanständige zehn Minuten nach dem Essen wieder zu den Damen gesellt; ganz sicher hatten sie sich nicht die Zeit für ein behagliches Glas Portwein oder eine genüsslich gerauchte Zigarre genommen. Doch als Jack angedeutet hatte, er würde gern mit Sally reden, hatte Lady Ottoline ihn kurz angebunden aufgefordert zu verschwinden.
    „ Ich unterhalte mich jetzt mit deiner Verlobten“, hatte sie ihm hoheitsvoll mitgeteilt. „ Du kannst später mit ihr sprechen.“
    Und so war Jack gezwungen gewesen, belanglose Konversation mit den anderen Gästen zu

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