HISTORICAL Band 0264
war Teil des dunklen Geheimnisses, das er in sich verschlossen hütete. Sally war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie und Jack Lady Ottolines Wohlwollen eigentlich kaum verdienten.
„Was werde ich ihr erzählen?“
Sally und Lady Ottoline zuckten zusammen, sie hatten Jack gar nicht kommen sehen.
„Du solltest dich an eine alte, schwerhörige Frau nicht so anschleichen, Neffe“, tadelte Lady Ottoline ungehalten. „Sonst kommst du noch, ehe du dich’s versiehst an mein Vermögen.“ Ihre Augen funkelten. „Aber vielleicht hast du ja genau das vor! Mich zu Tode erschrecken und dir das Geld schnappen!“
„Deine Gesellschaft ist mir lieber als dein Geld, Tante Otto“, versicherte Jack, und Lady Ottoline lächelte, sagte aber nichts.
„Ich dachte, Mr. Basset sei Ihr Erbe, Mylady, und nicht Jack.“ Sally lächelte ihn herausfordernd an. „Er hat doch bestimmt selbst Geld genug!“
„Ich habe beschlossen, mein Geld nicht diesem törichten Einfaltspinsel Bertie Basset zu hinterlassen“, sagte Lady Ottoline bissig. „Mit meinem Geld kann ich tun und lassen, was ich will. Er würde es ohnehin nur fürs Glückspiel und lose Frauenzimmer ausgeben.“
Sally und Jacks Blicke trafen sich, und er lächelte leicht, als wollte er sie daran erinnern, dass Bertie genau das bereits getan hatte.
„Jetzt weiß ich es wieder!“, rief Lady Ottoline triumphierend. „Ich wusste doch, dass ich den Namen Bowes schon einmal gehört habe. Ich habe einmal einen Vortrag Ihres Vaters im Sheldonian Theater in Oxford gehört. Er war ein begnadeter Redner und ein äußerst begabter Architekt.“ Sie sah sich um. „Ich glaube, Gregory Holt war Student bei ihm.“
„Das stimmt.“ Sally spürte Jacks Blick auf sich ruhen und ärgerte sich, weil sie grundlos errötete.
„Wenn du uns jetzt entschuldigen würdest, Tante Otto?“, bat Jack.„Ich würde mir gern mit meiner Verlobten ein wenig die Beine vertreten.“
Lady Ottoline lächelte. „Nun gut, ich denke, du darfst mir Miss Bowes jetzt entführen.“ Sie blickte zu ihm auf. „Du scheinst doch mehr Verstand zu haben, als ich dir zugetraut habe, Neffe. Ich mag deine Verlobte. Ich wundere mich nur, dass sie dich mag.“
Sally wich Jacks Blick aus. Jack bot ihr seinen Arm, und sie legte behutsam die Hand darauf, als fürchtete sie, sich an ihm zu verbrennen. Sally wünschte, sich seiner körperlichen Nähe nicht so überdeutlich bewusst zu sein, das machte sie völlig wehrlos ihm gegenüber.
„Wie haben Sie das bloß angestellt?“, fragte Jack, kaum dass sie allein auf der dunklen Terrasse standen. „Sie mag Sie mehr als mich!“
„Ich habe einfach ehrlich ihre Fragen beantwortet“, erklärte Sally. Als sie seinen ungläubigen Blick auffing, fügte sie hinzu: „Das mag Sie überraschen, Mr. Kestrel, wenn man bedenkt, was Sie von mir halten, aber Ihre Großtante hat meiner Einschätzung nach eine gute Menschenkenntnis, und sie mag mich.“
Sie erwartete eine zynische Bemerkung von ihm, doch er blieb still, und seine Miene wirkte nachdenklich. Sie gingen die Terrasse entlang bis zu der Stelle, wo der Burggraben in einen mit Schilf umstandenen Teich überging.
„Gregory Holt hat mich vorhin gewarnt“, meinte Jack nach einer Weile. „Er sagte mir, er stehe Ihnen nah wie ein Bruder und würde mich umbringen, sollte ich Sie verletzen.“
Sally warf ihm einen überraschten Blick zu. Sie wusste nicht recht, ob sie sich über Gregs Einmischung freuen oder ärgern sollte. „Er sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern“, sagte sie. „Er weiß, dass ich gut allein zurechtkomme.“
„Das dachte ich auch.“ Jack zögerte. „Er ist in Sie verliebt“, fügte er hinzu, und seine Stimme klang seltsam dabei.
„Ja“, stimmte Sally ihm nach einer Weile zu. „Wahrscheinlich.“
„Hat er Sie gebeten, ihn zu heiraten?“
„Nun sollten Sie sich lieber um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern“, wies sie ihn zurecht.
Jack lachte und griff nach ihrer Hand. „Das ist meine Angelegenheit, schließlich bin ich Ihr Verlobter.“
„Mein kurzfristiger Verlobter“, korrigierte sie. „Nur bis morgen.“
„Also nehme ich an, er hat Ihnen einen Heiratsantrag gemacht und Sie haben abgelehnt. Warum?“
„Müssen Sie so hartnäckig sein?“ Sally seufzte. „Ich mag Sie nicht, Mr. Kestrel, und ich habe auch keine große Lust, mich mit Ihnen zu unterhalten.“
„Bitte tun Sie mir den Gefallen“, bat Jack. „Ich möchte es wissen.“
Sally löste sich
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