HISTORICAL Band 0264
dich wiederzusehen, Greg. Kommst du heute Abend zur Wiedereröffnung des Purpursalons?“
Er nickte und rieb sich leicht verlegen das Kinn. „Ich habe mich gefragt … das heißt, ich dachte mir, ich könnte Nell als meinen Gast mitbringen.“
Sally war so überrascht, dass sie beinahe das Tintenfass umgestoßen hätte. „Nell? Meine Schwester?“
„Eben dieselbe“, erwiderte Greg mit einem schwachen Schmunzeln. „Ich habe sie besucht, als ich wieder in London war.“
„Das muss ja eine ziemliche Aufregung in der Blakelock Street ausgelöst haben“, bemerkte Sally trocken.
„Allerdings.“ Greg verzog das Gesicht. „Sobald ich kann, werde ich sie von dort wegholen. Ich bin sicher, die Kinder wären auf dem Land glücklicher und Nell sähe so viel besser aus, wenn sie wieder etwas Farbe in den Wangen hätte. Das ist einfach kein Ort für sie …“ Er verstummte, als er Sallys Gesichtsausdruck sah. „Was ist?“, meinte er etwas trotzig.
Sally lachte. „O Greg, das ging ja schnell! Ich habe doch schon immer gesagt, du bist ein Mann, der sich um alles kümmert!“
„Und du hattest es nie nötig, dass ich mich um dich kümmere“, erinnerte er sie reumütig. „Aber Nell ist anders. Außerdem kenne ich sie seit Jahren. Es ist ja nicht so, dass das alles plötzlich passiert wäre.“
„Nein.“ Sally sah ihn prüfend an. „Sie ist nicht ich, Greg. Du solltest sie als eigenständigen Mensch sehen.“
„Das weiß ich, Sally. Keine Sorge, sie ist nicht bloßer Ersatz für dich. Ich kann nur hoffen, dass sie mich trotz ihrer politischen Überzeugungen mit Wohlwollen betrachtet.“
„Solange du das Frauenwahlrecht befürwortest, wird das sicher kein Problem sein“, versicherte sie ihm lächelnd.
„Ich werde es versuchen. Aber wenn ich bedenke, dass eure Schwester Connie das Wahlrecht haben soll …“
„Dann brauche ich nur daran zu denken, dass Typen wie Bertie über die Zukunft unsere Landes bestimmen“, konterte Sally.
„Ein Punkt für dich“, räumte Greg ein. „Da stimme ich dir jedenfalls zu. Waren die beiden unerträglich, als ich nicht mehr da war?“
„Absolut unerträglich“, bestätigte Sally. „Aber Lady Ottoline hat Connie gehörig den Kopf gewaschen. Da sind die beiden ins Randolph zurückgekehrt, und wir hatten unsere Ruhe.“
„Das scheint dir nicht sehr nahezugehen“, stellte Greg fest. „Noch vor nicht allzu langer Zeit hättest du dir selbst die Schuld an dieser ganzen Geschichte gegeben.“
Sally spielte mit ihrer Schreibfeder. „Wahrscheinlich. Aber Jack hat mir die Augen geöffnet, und ich sehe jetzt ein, dass ich nicht länger für Connie und Nell verantwortlich bin.“
„Das sage ich dir schon seit Jahren“, erinnerte er sie trocken.
„Ich weiß.“ Sie wich seinem Blick aus. „Es tut mir leid, Greg.“ Plötzlich hellte sich ihre Miene wieder auf. „Aber wenn du gekommen bist, mich um meinen Segen für dich und Nell zu bitten – den hast du! Lieber Greg, ich freue mich für dich.“
Auch Greg lächelte flüchtig, wurde aber rasch wieder ernst. „Ich wünschte, ich könnte dir dasselbe sagen“, meinte er. „Von Charley habe ich erfahren, dass du vorhast, diese Sache zu Ende zu führen?“
Sally seufzte. „Greg, diese Diskussion hatten wir doch schon einmal.“
„Du wirst einen Mann heiraten, der dich nicht lieben kann.“ Er schüttelte den Kopf. „Du hast etwas Besseres verdient, Sally.“
„Ich habe Jack meine endgültige Entscheidung noch nicht mitgeteilt …“, begann Sally, doch Greg brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.
„Du hast dich entschieden, Sally, und das weißt du. Du hast die erste riskante und unbesonnene Entscheidung deines Lebens gefällt.“
„Die zweite“, verbesserte Sally und dachte an ihre erste Nacht mit Jack.
Greg lächelte nicht. „Da gibt es etwas, das ich dir noch nicht gesagt habe. Ich wusste nicht recht, ob ich mich einmischen sollte oder nicht …“ Er räusperte sich. „Verdammt, Sally …“
„Wenn es etwas mit Jacks Vergangenheit zu tun hat, will ich es gar nicht wissen“, teilte Sally ihm nachdrücklich mit. „Ich habe keine Lust, mein Eheleben damit zu verbringen, dass ständig Leute auftauchen und mir hämisch ins Ohr flüstern, es gäbe da etwas, was ich über meinen Mann wissen müsste. Klatsch und Tratsch wird es immer geben.“
„Das ist es auch nicht.“
Sally sah ihn erstaunt an. „Was dann?“
„Du musst einsehen, dass ich dir das nur zu deinem eigenen Besten erzähle
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